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Berlin: Gratisbeilagen satt

Die sparsamen Zeiten sind besser als ihr Ruf: Auf der Grünen Wochen futtern sich viele durch – umsonst

Ob’s das noch gibt? Durchschlemmen für null Euro? Mein Grüne-Woche-Test im ICC fängt gut an: Auf der Brücke über den Messedamm renne ich ins Pausenbüfett des „11. East-West Agricultural Forum“. Man smalltalkt in kleinen geschlossenen Gruppen. Jetzt nur nicht zögern. Es gibt Kaffee und Kekse. Immerhin. Macht jedenfalls Lust auf mehr.

Rechts biege ich ab durch Halle 15. Ich gerate in einen Rentnerpulk, der sich schon nach wenigen Metern verhakt und verkeilt. Der Fußboden ist mit kleinen Holzspießen übersät. Über fremde Schultern hinweg werden neue Spieße durchgereicht. Von links wird zur Mäßigung angehalten: „Andere wollen ooch noch wat.“ Es gibt Sülzfleischbrocken, Salamischeiben, Brotecken und Griebenschmalz. Eine pummelige Schönheit aus der „Kujawsko-Pomorskie“-Wojewodschaft lächelt mild und legt ständig nach, damit die hungrige Horde mit ihren Stechwaffen nicht außer Kontrolle gerät. Ein Fernsehteam bemerkt die Raubtierfütterung, hält drauf – aber innerhalb von Sekunden löst sich der Pulk auf. Schnäppchenjäger sind scheu.

Gestärkt lasse ich mich weiter treiben. Ein Getränk wäre jetzt nicht schlecht. Zur Linken kostet das Bier drei Euro. Lässt sich sowas auf null runterhandeln? Ist nicht der Mühe wert. Bei „Mar Wit“ aus Zentralpolen steht eine Armee kleiner Plastikbecher auf der Theke, gefüllt mit reinem Karottensaft. Um nicht unhöflich zu sein, frage ich noch ein paar Einzelheiten zur polnischen Karottenproduktion ab, teste einen weiteren Becher und bedanke mich. Angenehm großzügig, die Polen.

Das „Weingut Elfenhof“, irgendwo in Österreich gelegen, gewährt dagegen nur einen winzigen Schluck vom allzu lieblichen Roten. Der Schweizer Käse auf der Theke gehört den Damen vom Bauernverband Plön. Den hätten sie eine Halle weiter teuer erstanden, sagen sie. Abgeben wollen sie davon jetzt nichts. Und die Bayern – vielleicht klappt es ja mit den Katholiken besser. Den Bauernkäse verkosten? „Ja, ssiicher.“ Das Mannsbild mit langen Koteletten, aber ohne Lederhose, schabt mit einem Fleischermesser Streifen ab und reicht sie auf der Klinge herüber. „Da geh‘ her.“ Auch den „Mostkäse“ gibt’s probeweise.

Was gibt es noch? Kürbiskern-Pesto auf Ziegenkäse, Senfsauce mit Feigen, handgemachte Erdbeermarmelade vom Biobauern. Nach 100 Ausstellungsmetern bin ich eigentlich schon satt. Und sicher, dass der ernährungswirtschaftliche Aufschwung kommt. Die Branche leistet es sich wieder, hungrige Messe-Mäuler entgeltfrei zu stopfen.

Jetzt ist mir nach einem Espresso und was Süßem. Bei den Pralinen aus Piemont stehen überall Warnschilder: „Stück 0,50 Euro“. Und wenn man nur mal probeweise… ein winziges Stückchen…? Mein Dackelblick trifft ins Schwarze. Nach dem überzuckerten Schoko-Tiramisu bewahrt mich allerdings nur eine Notlüge vor dem Kauf einer größeren Menge. „Darf eigentlich gar keine Schokolade essen. Bin Diabetiker.“

Der Espresso bei „Saquelia“ soll 1 Euro 30 kosten. Und nur mal nippen, so ganz ohne Geld? „Kosten? Kostet 1 Euro 30.“ Simone schaut irritiert, bespricht sich mit Kollegen, lächelt verschämt. „Nix probieren, ist hier eine Firma.“ Schade. Dann eben Tee. Bei der „Handelsgesellschaft Westermann“ gibt es Darjeeling, zweite Pflückung. Und gratis. „Becher bitte nicht mitnehmen“, warnt ein Schild. Sonst könne das kostenlose Labsal im nächsten Jahr nicht mehr gewährleistet werden.

Jetzt noch ein Eis für lau? Keine Chance. „Na Pro“ bietet Dosensuppen-Verkostung, verschiedene Geschmacksrichtungen. Die „Vitamineralsuppe“ schmeckt nach Pilzen, obwohl gar keine drin sein sollen. Den seltsamen Geschmack werde ich erst in der Niedersachsenhalle los, mit einem Apfel vom „Obsthof Lühs“. Den habe ich beim Glücksrad–Drehen gewonnen.

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