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Berlin: „Größte Herausforderung“

Hans Joachim Schellnhuber über den Klimawandel

Großbritannien gilt nicht als ÖkoMusterland. Warum setzt sich die Regierung Tony Blair jetzt für Klimaschutz ein?

Der Klimaschutz war immer ein wichtiges Thema auf der Insel, sogar schon für Margaret Thatcher. Sie war die Erste, die das politische Problem erkannt und ihre europäischen Kollegen von dessen Bedeutung überzeugt hat. Das hatte natürlich auch innenpolitische Gründe, insbesondere die damals höchst dramatische Auseinandersetzung mit den Bergarbeitergewerkschaften. Thatcher wollte die Kohleminen schließen. Aber sicher spielte auch ein echtes Verständnis des Treibhauseffektes eine Rolle, schließlich ist sie gelernte Naturwissenschaftlerin. Unter Thatcher wurde auch das Hadley-Center gegründet, das inzwischen weltweit führend in der Klimamodellierung ist.

Und heute?

Tony Blair, dessen Politik stark von moralischen Erwägungen geprägt ist, ist wohl davon überzeugt, dass der Klimawandel eine der größten Herausforderungen für die Menschheit im 21. Jahrhundert darstellt. Deshalb will er das Thema zum Schwerpunkt der britischen Doppelpräsidentschaft bei EU und G8 machen. Außerdem ist Großbritannien auf dem besten Weg seine Kyoto-Ziele zu erfüllen. Man kann als Musterschüler eher die Anhebung des Klassenniveaus fordern.

Deutschland war lange Vorreiter bei der Klimapolitik. Nun hält sich die Bundesregierung zurück. Warum?

Die Erklärung ist relativ einfach. Die Umweltpolitik steht in Deutschland wegen der vermeintlichen wirtschaftlichen Krise unter Druck. In Großbritannien wächst die Wirtschaft und die Arbeitslosigkeit ist auf dem tiefsten Stand seit 20 Jahren. Umweltschutz gilt ja als Wohlstands- und Luxusproblem …

…sobald er zur Existenzfrage wird, ist es meistens zu spät.

Langfristig ist aber völlig klar, dass wir unseren Wohlstand nur sichern können, wenn wir das Klima schützen. Nur so langfristig denken Regierungen meistens nicht – ebensowenig wie ihre Wähler. In Deutschland wird die Klimadebatte gegenwärtig in Moll geführt, in Großbritannien, wo es mehr ökonomische Spielräume gibt, dagegen in Dur. Deshalb ist diese deutsch-britische Allianz so wichtig, die mit der Konferenz am 3. November noch enger werden soll. Dann muss Großbritannien für ein paar Jahre vorangehen, wird aber in Deutschland einen verlässlichen Partner dabei haben.

Nachdem Russland das Kyoto-Protokoll ratifiziert hat, und damit die Klimadebatte der vergangenen zehn Jahre nicht sinnlos war, bekommt das Thema wieder mehr Dynamik. Wo soll es hingehen?

Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn das Kyoto-Protokoll gescheitert wäre. Nicht weil das Abkommen so wirksam wäre – ich halte es sogar für recht mangelhaft – sondern weil es eine große symbolische Bedeutung hat. Russland hat es unter starker Einflussnahme der Europäischen Union nun gerettet, und das wird den neuen US-Präsidenten, heißt er nun Bush oder Kerry, vor eine schwierige Situation stellen. Es wird schwerer, sich einfach zu verweigern, vor allem, wenn die Umsetzung klappt, sei das der Emissionshandel oder seien das Investitionen in Entwicklungsländern über den „Saubere-Entwicklungsmechanismus“ (CDM). Aber wir müssen über Kyoto hinausdenken. Entwicklungsländer müssen einbezogen werden, und die Industrieländer müssen bis 2025 tatsächlich 25 Prozent ihrer Emissionen reduzieren, insbesondere durch neue und effizientere Technologien.

Was erwarten Sie von der deutsch-britischen Klimakonferenz?

Erstens wird der Konferenzband auf hohem Niveau resümieren, wo wir heute stehen. Zweitens wird es ein Memorandum geben, das Tony Blair und Bundeskanzler Gerhard Schröder überreicht werden wird. Wir erwarten, dass unsere Schlussfolgerungen für den weiteren Umgang mit dem Klimathema auch Resonanz in der Politik dieser zwei wichtigen Länder finden werden. Und drittens wird es einen Entwurf für einen Aktionsplan zum Klimaschutz geben, bei dem Deutschland und Großbritannien auf allen Ebenen – wissenschaftlich, wirtschaftlich und politisch – zusammenarbeiten werden.

Das Gespräch führte Dagmar Dehmer.

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