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Berlin: "Haus der Künstlerinnen": Bund will die Immobilie verkaufen

Die grün-gelbe Fassade am Schöneberger Ufer 71 in Tiergarten ist heruntergekommen. Nichts weist auf die Geschichte des Gebäudes hin.

Die grün-gelbe Fassade am Schöneberger Ufer 71 in Tiergarten ist heruntergekommen. Nichts weist auf die Geschichte des Gebäudes hin. Hier, im ehemaligen "Haus der Künstlerinnen", lehrten einst Frauen wie Käthe Kollwitz, Paula Modersohn-Becker und Else Lasker-Schüler. Auch heute beherbergt das Haus Ateliers. Doch das künstlerische Innenleben ist für den Passanten nicht ersichtlich.

Am Klingelschild werben eine Druckerei, eine Filmfirma und ein Architektenbüro. Die renommierte Malerin Hella Santarossa, deren "Rotweißer Karren" im Reichstag hängt, weist sich schlicht mit dem Nachnamen aus. Sie hat im vierten Stock ein Atelier gemietet, ebenso wie etwa Horst Hirsig und Herta Schönewolf. Sie fürchtet, dass es mit dem geruhsamen Malen in hellen, großfenstrigen Räumen mitten in der Stadt bald vorbei ist. Der Bund, seit Kriegsende Eigentümer, will die Immobilie verkaufen. Das Bieterverfahren läuft seit Oktober vergangenen Jahres.

"Kaufen statt Mieten" schien die Alternative. Eine Bietergemeinschaft hat sich gebildet. Der Verein "Haus der Künstlerinnen und Künstler am Schöneberger Ufer" befindet sich in Gründung, um aus dem 1910 errichteten, denkmalgeschützten Gebäude wieder ein richtiges "Künstlerhaus" zu machen. Ausstellungen, Lesungen, Künstlerförderung - das war die Idee. Doch es scheitert am Geld. Gestern Nacht ist die Bieterfrist abgelaufen. Ein Berliner Unternehmer hat knapp fünf Millionen Mark geboten. Da können die Künstler nicht mithalten. Santarossa fühlt sich über den Tisch gezogen.

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"Wir sind Kulturschaffende", betont die Künstlerin, die auch den blauen Obelisken auf dem Charlottenburger Theodor-Heuss-Platz geschaffen hat, "es stünde dem Bund gut an, uns zu unterstützen, aber wir laufen gegen eine Schaumgummiwand." Den Künstlern werde die Luft zum Atmen genommen. Ganz so schlimm kann es um die Mieter am Schöneberger Ufer zwar nicht stehen, denn der Unternehmer, der das Haus behutsam restaurieren will, bietet ihnen langfristige Verträge, und vier Millionen Mark konnten die Künstler zusammenkratzen. Nur die Papiere sind noch nicht fertig, und nun ist es zu spät. Santarossa fordert, die Frist um sechs Wochen zu verlängern. Andernfalls handle der Bund "unlauter", glaubt Santarossa.

Davon kann nach Angaben von Helmut John, Sprecher der Oberfinanzdirektion (OFD), keine Rede sein, im Gegenteil: "Es handelt sich um ein objektives, transparentes Verfahren." Routine. Eine Verlängerung der Frist komme ebenso wenig in Frage wie eine Preissenkung: "Wer am meisten zahlt, kriegt den Zuschlag", sagt John. Dazu sei man im Sinne der Steuerzahler verpflichtet. "Kulturförderung ist nicht Aufgabe der Bundesfinanzverwaltung", erklärt der OFD-Sprecher, "dafür gibt es andere Töpfe."

Auch die kunstgeschichtliche Bedeutung spielt aus Bundes-Sicht keine Rolle. Das Gebäude am Schöneberger Ufer ermöglichte in den 10er und 20er Jahren erstmals Frauen eine akademische Kunstausbildung. Unter dem Vorsitz der jüdischen Künstlerin Hildegard Lehnert entstand eine Zeichen- und Malschule. Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker waren dort Schülerinnen und später Lehrerinnen. Heute wieder ein "Künstlerhaus" zu schaffen - dieser Traum ist ausgeträumt. "Wenn der Investor" - Santarossa spricht das Wort aus, als hätte sie eine Kröte im Mund - "wenn der Investor das Haus kriegt, ziehe ich aus."

kört

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