Berlin: Heizen fast überflüssig
156 000 Tonnen CO2 gespart – aus einem Plattenbau wurde Deutschlands größtes Niedrigenergiehaus
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Christin Winckelmann wohnt in einem besonderen Haus. Es liegt an der Schulze-Boysen-Straße 35 bis 37 in Lichtenberg. Früher war es ein Plattenbau, 1974 errichtet. Jetzt ist es das größte Niedrigenergiehaus deutschlandweit – kein anderes Wohngebäude dieser Größe verbraucht weniger Energie zugunsten der Umwelt. Am Montag wurde es von der Hogewo Wohnungsbaugesellschaft offiziell eingeweiht.
Seit März 2006 waren die 296 Wohnungen mit insgesamt über 18 000 Quadratmetern Fläche im Rahmen des bundesweiten Modellvorhabens „Niedrigenergiehaus im Bestand“ der Deutschen Energie-Agentur komplett saniert und modernisiert worden – unter Berücksichtigung eines außergewöhnlichen Energiesparkonzepts: Vom Dach bis zum Erdgeschoss ist das Haus mit Mineralwolle eingepackt, die Fenster sind mit jeweils drei Scheiben verglast. Dadurch sollen Wärmeverluste verhindert werden. Aber weil große Mengen an Energie dadurch verloren gehen, dass erhitzte Luft beim Lüften nach draußen gelassen wird, ist im Haus eine zentrale Belüftungsanlage eingebaut. Wie bei Christin Winckelmann gibt es in jeder Wohnung eine Leiste mit fünf kleinen Löchern oder einen Plastikschlitz an der Decke. Hierdurch wird kontinuierlich frische Luft in die Zimmer geleitet. Weil sie auf 18 Grad vortemperiert ist, muss die Heizung kaum aufgedreht werden. Die verbrauchte Luft wird wiederum über Bad und Küche abgesaugt und zum Rotationswärmeaustauscher unters Dach geleitet. Er trennt die Luft so, dass verbrauche Luft nach draußen fließt und die Wärme mit der neuen Frischluft vermengt wird. Dieser Kreislauf macht Lüften theoretisch überflüssig. „Aber die Leute öffnen weiterhin die Fenster. Das hat wohl psychologische Gründe“, sagt Projektleiterin Gudrun Höfs.
Zur Sanierung gehört auch, dass die Heizungsanlage nun auf einer niedrigeren Temperatur läuft und das Wasser über die Abwärme des Blockheizkraftwerks erwärmt wird. Insgesamt soll der Jahresenergiebedarf um mindestens 30 Prozent gesenkt und der Kohlendioxidausstoß (CO2) um etwa 156 000 Tonnen gemindert werden. Acht Millionen Euro hat die Sanierung gekostet; der Anteil für die Mieter ist tragbar: Sie müssen zwar pro Quadratmeter Wohnfläche 77 Cent mehr zahlen, allerdings sollen ihre jährlichen Betriebskosten durch die Energieeinsparung um 53 Cent pro Quadratmeter sinken.
Ingeborg Junge-Reyer, Senatorin für Stadtentwicklung, lobte das Projekt: „Es zeigt, dass auch bei älteren Häusern das Verknüpfen ökologischer und wirtschaftlicher Vorteile zu einer verbesserten Energiebilanz führen kann. Ich hoffe, dass es möglichst viele Nachahmer findet.“ Auch Mieterin Winckelmann ist begeistert: „Es ist ein schönes Gefühl, etwas für die Umwelt zu tun, obwohl ich meinen Lebenswandel nicht geändert habe, sondern einfach nur wohne.“
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