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Schlachten von gestern. So massiv wie in früheren Jahren ist der Widerstand gegen einen Komplettumzug der Bundesregierung auch in Bonn schon lange nicht mehr – hier ein Foto von einer Demonstration 1996.

©  Jürgen Eis/Imago

Bonn-Berlin-Gesetz: Hendricks fordert Komplettumzug der Bundesministerien

Bundesbauministerin Barbara Hendricks hat die Debatte um einen Umzug der Ministerien von Bonn nach Berlin erneut angestoßen. Nun geht es um den Preis dafür.

Der übliche Sturm der Entrüstung bleibt dieses Mal aus. Selbst am Tag danach schimpft allenfalls der freidemokratische Generalsekretär Joachim Stamp über die Bundesbauministerin und fragte: „Hat Frau Hendricks nichts Besseres zu tun als Rechtsbruch?“

Diese Attacke ist allerdings in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass Stamp selbst aus Bonn kommt, er bleibt die einzige Stimme, die Barbara Hendricks Wort- und Rechtsbruch vorwirft, weil sie am Bonn-Berlin-Gesetz und der verabredeten Arbeitsteilung zwischen den beiden Städten gerüttelt hat. In der „Berliner Zeitung“ hatte sie durchblicken lassen, dass sie einen Komplettumzug der Regierung im Jahre 25 nach der Einheit nicht mehr für ausgeschlossen hält. „Man kann und sollte jetzt einen gesteuerten Prozess beginnen“, sagte die sozialdemokratische Bauministerin da, die auch Bundesbeauftragte für den Berlin-Umzug ist.

Präsenz der Bundesregierung in Bonn

Abgesehen von Joachim Stamp kommen von allen Beteiligten erstaunlich moderate Reaktionen. Der Bonner Abgeordnete Ulrich Kelber von der SPD will sich erst mit seinen Kolleginnen aus der Bundesstadt, Katja Dörner von den Grünen und der Christdemokratin Claudia Lücking-Michel abstimmen, bevor er den Vorstoß seiner Parteifreundin bewerten wollte.

Der designierte Bonner Oberbürgermeister Alexander Sridharan erfuhr von der Debatte im Urlaub am Bodensee, er will auf Anfrage nicht viel mehr sagen, als er im Wahlkampf gesagt hatte: „Wir brauchen eine Präsenz der Bundesregierung in Bonn, weil die für die internationalen Organisationen wichtig sind“.

Man muss darüber reden

Mit dieser Formel legt das künftige Stadtoberhaupt den Fokus auf das Grundproblem: Natürlich ist auch ihm klar, dass sich die Stadt in erster Linie dank der inzwischen großzügig angesiedelten internationalen Organisationen weiter entwickelt; im Kern kommt es nur noch darauf an, die Bedingungen dafür zu schaffen.

In diesem Sinne äußert sich auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Schon vor der Sommerpause hatte sich Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nicht mehr vehement gegen eine neue Debatte aufgelehnt. „Wenn man einen Vertrag ändern will, müssen sich alle an einen Tisch setzen und darüber reden“, hatte sie öffentlich zum Thema bekannt.

Bonn als UN-Standort entwickeln

Es darf als sicher gelten, dass Barbara Hendricks ihren öffentlichen Vorstoß nicht ohne Zustimmung der NRW-Parteichefin gemacht hat; schließlich stammt Frau Hendricks aus dem größten Bundesland, sie sitzt nur deshalb am Berliner Kabinettstisch, weil Hannelore Kraft sie dort durchgesetzt hat. Für die Landesregierung reagiert im aktuellen Fall nicht die Chefin, sondern der zuständige Minister für Bundesangelegenheiten, der ein Vertrauter von Kraft ist.

„Wir begrüßen, dass Ministerin Hendricks Perspektiven zur Stärkung der Stadt Bonn als UN-Standort entwickeln möchte“, argumentiert Franz Josef Lersch Mense fast dialektisch, denn er bezieht sich mit seinem Lob vor allem auf jene Sätze, die im Interview der Bauministerin auch vorkamen und sich auf die Zukunft von Bonn bezogen. „Bonn muss dieselbe Bedeutung bekommen wie die anderen UN-Standorte in Europa, Genf und Wien“, hatte Hendricks verlangt und genau das fordert jetzt auch die Landesregierung.

Reale Gewicht zugunsten Berlins verschoben

Damit gibt man indirekt zu, dass sich der Umzug nicht mehr wird verhindern lassen, es in den anstehenden Gesprächen nur noch um den Preis geht, der dafür bezahlt werden muss. „Das muss in enger Abstimmung mit der Region und dem Land geschehen“, verlangt Lersch Mense und fügte noch hinzu, „die bereits aufgenommenen Gespräche wird die Landesregierung in Kürze fortsetzen“.

Zurzeit befinden sich noch sechs Ministerien mit ihrem ersten Dienstsitz in der Bundesstadt Bonn, acht Ministerien in Berlin. Obwohl das Bonn-Berlin-Gesetz von 1994 vorschreibt, dass mehr als die Hälfte aller Bediensteten in Bonn arbeiten müssen, hat sich das reale Gewicht längst zugunsten von Berlin verschoben. Wer den Umzug weiter vorantreiben will, wie nicht wenige Berliner, müsste allerdings dieses Gesetz mit Mehrheit verändern.

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