zum Hauptinhalt
Die Schornsteinfeger Ilian Romero, Schornsteinfeger Norbert Skrobek, Schornsteinfeger Alain Raabsilber werben im Tierheim Berlin für die Vermittlung von schwarzen Tieren, wie Bonnie.

© Sven Darmer

Hilfe für das Berliner Tierheim: Schornsteinfeger lassen schwarze Tiere zu Glücksbringern werden

Schwarze Tiere bleiben oft länger im Tierheim, auch weil manch ein Aberglaube noch immer Bestand hat. Schornsteinfeger engagieren sich nun dagegen.

Bonny bekommt den schwarzen Zylinder des Schornsteinfegermeisters einen Moment lang fürs Foto aufgesetzt, doch die junge Schäferhündin mit den spitzen Ohren schüttelt ihn schnell wieder ab. Als wüsste sie, das schlaue Tier, dass sie nichts weiter braucht, um liebenswert zu sein. Manchmal wissen die Tiere selbst das besser als die Menschen.

Warum mehrere Schornsteinfeger in schwarzen Anzügen mit goldenen Knöpfen auf dem Gelände des Berliner Tierheims in Falkenberg mit dem Schäferhund posieren, hat einen besonderen Grund. „Wir haben davon gehört, dass schwarze Tiere es schwerer haben, ein neues Zuhause zu finden, im Vergleich zu beispielsweise grauen, braunen oder weißen Tieren“, sagt der Pressesprecher der Schornsteinfeger-Innung in Berlin, Alain Rappsilber. Für seine Zunft sei Schwarz dagegen eine Glücksfarbe. „Darum wollen wir den Tieren helfen.“

Die Idee dazu stammt von Heike Jahnke, Assistentin der neuen Landestierschutzbeauftragten Kathrin Herrmann. Die 52-Jährige ist Mutter eines Schornsteinfegers. Als der Deutsche Tierschutzbund im vergangenen September auf die besonderen Herausforderungen hinwies, die schwarze Tiere in Tierheimen betreffen, fand Jahnke das ungerecht. Sie fragte sich, ob etwa der Berufsstand ihres Sohnes nicht dazu beitragen könne, die bestehenden Vorurteile der Menschen gegenüber den Tieren abzubauen.

Hündin Bonnie ist verschmust.
Hündin Bonnie ist verschmust.

© Sven Darmer

Schornsteinfeger lassen sich zum Freitag, dem 13., mit schwarzen Tieren ablichten

Im Zuge der Zusammenarbeit, die sich daraus ergab, soll demnächst ein Foto-Kalender entstehen. Dafür erscheinen an diesem Tag „eine Handvoll weiterer Kolleginnen und Kollegen“ im Tierheim, wie Rappsilber erzählt. Sie wollen sich mit schwarzen Tieren ablichten lassen. Die Berliner Innung der Schornsteinfeger übernimmt dafür die Produktionskosten. Der Kalender in einer limitierten Auflage von 500 Exemplaren soll in der ersten Dezemberwoche über den Berliner Tierschutzverein und die Innung erhältlich sein und 9,95 Euro kosten. Die Erlöse sollen dem Tierheim zugutekommen.

„Dass das so schnell über die Bühne geht, hätte ich nicht gedacht“, sagt Heike Jahnke. Doch gewissermaßen musste es schnell gehen: „Wir wollten pünktlich zum Freitag, dem 13., beginnen“, sagt Annette Rost, Pressesprecherin des Tierheims. Denn dass schwarze Tiere im Heim eher links liegen gelassen werden, habe auch viel mit Aberglauben zu tun.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der Deutsche Tierschutzbund hatte zum Tag unter dem Motto „Brich einen Aberglauben“ darauf aufmerksam gemacht, dass schwarze Katzen, aber auch schwarze Hunde es in Tierheimen schwerer haben. Fast die Hälfte von 313 deutschen Tierheimen hatten dies in einer aktuellen Umfrage angegeben – 48 Prozent hinsichtlich Katzen, 55 Prozent bei Hunden. Eine Kampagne des Tierschutzbundes, die Tierheime unterstützen soll, widmet sich deshalb auch im November noch den schwarzen Tieren.

Bonnie will lieber kuscheln als posen.
Bonnie will lieber kuscheln als posen.

© Sven Darmer

Demnach sind vor allem der Aberglaube und die Angst ausschlaggebend. Über schwarze Tiere kursieren zahlreiche Aberglauben und Vorurteile. Schwarze Katzen sollen demzufolge Unglück bringen, in einigen Ländern soll in ihnen gar der Teufel stecken. Ihre Absichten erscheinen für manche schwer zu deuten, da aus der Entfernung in dem dunklen Fellknäuel oft nur die Augen zu sehen sind. Schwarze Schafe sind bekanntlich die unbeliebten Familienmitglieder. Und auch bei Sherlock Holmes geht es einmal um einen schwarzen „Höllenhund“ mit roten Augen.

Die Angst spielt im Fall der Hunde eine große Rolle, wie auch Annette Rost bestätigt. „Einer unserer Hunde, ein richtig liebenswürdiges Geschöpf, musste drei Jahre auf neue Besitzer warten.“ Die langjährige Erfahrung habe gezeigt: Hätte der Hund bei gleicher Größe ein helles Fell gehabt, wäre er „mit seinem guten Charakter“ weitaus beliebter gewesen.

Der Ursprung des Aberglaubens ist unklar

Daneben vermuten die Tierheime auch andere Gründe. So etwa, dass einige Menschen dunkle Tiere wegen ihrer natürlichen „Tarnung“ eher übersehen, sie schlicht nicht schön finden oder für weniger fotogen halten. Die einjährige Bonny hält allerdings kaum lange genug still, um fotografiert zu werden. Die Hündin springt herum und will lieber mit den Schornsteinfegern schmusen.

Woher der Aberglaube über die Tiere herrührt, ist schwer zu sagen. Manche vermuten, dass schwarze Katzen im Mittelalter oft in der Nähe von Frauen gesehen wurden, die man der Hexerei bezichtigt hatte. Also mieden die Menschen die Nähe zu den Tieren, um einer solchen Anklage zu entkommen. Andere halten die Farbe an sich für den Hauptgrund, da Schwarz im Mittelalter sehr negativ belegt war. Es galt als Farbe der Dunkelheit, des Bösen und des Todes.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Dagegen lässt sich einfacher erklären, warum Schornsteinfeger mit Glück in Verbindung gebracht werden. „In der Vergangenheit gab es viel mehr Brände, weil mit Feuer und Kohle geheizt wurde“, erzählt Rappsilber. „Die Leute merkten, dass die Brände aber zurückgingen, wenn die Schornsteinfeger kamen.“ Das betrachteten sie als Glück. 

Dabei trugen die Schornsteinfeger seit jeher schwarze Kleidung, weil der hochbrennbare Ruß auf heller Kleidung deutlicher zu sehen gewesen wäre, sagt der 47-Jährige, der seit 30 Jahren im Geschäft ist. Bis heute wollen Menschen Schornsteinfeger anfassen, etwas Ruß an die Finger bekommen, damit ein Funken Glück überspringen möge.

Fürs Fotoshooting mit Bonny hat sich Nachwuchs-Schornsteinfeger Elian Camo Romero Ruß ins Gesicht geschmiert. Der 19-Jährige hat vor drei Monaten seine Ausbildung in einem Kreuzberger Betrieb angefangen. „Es ist ein toller Job, der Spaß macht“, schwärmt er. 

Auch Norbert Skrobek, Obermeister der Schornsteinfeger-Innung, liegt die Arbeit des Tierheims am Herzen. Er hat selbst einen Hund und eine Katze. Rappsilber ist ehemaliger Tierbesitzer – er hatte Huskys und einen Cocker Spaniel. Skrobek erzählt, ein Kollege aus Neukölln habe zwei schwarze Schäferhunde. Von Pech aber keine Spur: „Er ist immer noch glücklich verheiratet.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false