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Symbolisches Ja-Wort am Valentinstag: Hochzeit in der Hüpfburg

Zum Valentinstag hat eine Internetfirma eine aufblasbare Kirche auf dem Petriplatz aufgestellt. Rund 20 Paare ließen sich dort im Lauf des Tages trauen - ohne hinterher verheiratet zu sein. Die evangelische Kirche kann sich nicht mit der Aktion anfreunden

Der Kirchturm hängt schlaff herunter. Mehrere Versuche, ihn richtig aufzupumpen, sind fehlgeschlagen. In der Decke über dem Altar sind Löcher, durch die man den Himmel sehen kann. Es ist kalt. Und laut: Sechs Gebläse pusten vor sich hin, ein Generator schnarrt draußen geräuschvoll und von der viel befahrenen Gertraudenstraße in Mitte dröhnt der Verkehr durch die Wände des aufblasbaren Gebäudes, die ja zum größten Teil aus Luft bestehen. „Ja, ich will“, sagt erst Christine, dann Dieter. Der Satz ist bei beiden eher zu erahnen als zu hören. „Dann erkläre ich euren Treuschwur für symbolisch erneuert“, sagt ein eleganter junger Mann, der vor dem Altar steht. Die Kerze darauf brennt nicht. Christine wickelt jetzt ihren lila Schal vom Hals und hängt ihn Dieter um, er streift ihr dafür seinen weißen über. Beide Schals sind an den Enden zusammengenäht, so dass ein Schlauch entstanden ist. Man könnte es als eine ganz besondere Art von Trauring bezeichnen - mit etwas gutem Willen und viel Phantasie. Und genau diese beiden Hilfsmittel braucht man auch, um die Zeremonie, deren Mittelpunkt Christine und Dieter gerade sind, eine Hochzeit zu nennen und das Gebilde, in dem sie stattfindet eine Kirche. Und dann lässt sich noch nicht einmal die Sektflasche öffnen.

Es ist 11 Uhr am Valentinstag und die beiden 50-Jährigen sind das dritte Paar, das sich an diesem Morgen „trauen lässt“ – rein symbolisch selbstverständlich. 17 weitere sollen im Lauf des Tages folgen. Das ganze ist eine Valentinsaktion einer Internet-Zimmervermittlung. 20 Euro kostet die Zeremonie pro Paar. Die Firma hat dafür eine aufblasbare Kirche gemietet und sie an einem der unromantischsten Orte in Berlin aufgestellt – auf dem Petriplatz zwischen leer stehenden Häusern voller Graffitti, Bauzäunen, Plattenbauten, Sand- und Schutthaufen. Früher stand hier mal die Petrikirche, doch die wurde im Krieg weitgehend zerstört und 1964 endgültig abgerissen. Die „Standesbeamten“ sind Mitarbeiter der Firma.

Die ganze Veranstaltung scheint auf den ersten Blick etwas trostlos und so kommerziell wie der ganze Valentinstag. Doch auf den zweiten Blick kann man an diesem ungemütlichen Ort ganz schön viel Romantik und Begeisterung entdecken. „Was zwei Menschen zusammenführt bleibt ein unausgesprochenes Geheimnis“, sagt der selbst ernannte „Standesbeamte“ in der Zeremonie gesagt. Und : „Nach 29 Jahren gemeinsamer Ehe liebt ihr euch noch so wie am ersten Tag.“ Da scheint er Recht zu haben: „Ich habe Dieter einen Heiratsantrag gemacht und er hat Ja gesagt“, sagt Christine nach der Zeremonie und sieht ihren Mann glücklich an. „Beim ersten Mal war es eine gemeinsame Überlegung, da war ich ja schon schwanger.“ Und Dieter fügt hinzu: „Beim ersten Mal war es aber auch romantisch.“

Beim nächsten Paar liegt der Fall anders: „Heute startet eure Probezeit“, sagt die Kollegin des ersten „Standesbeamten“, die ihn abgelöst hat. Rebecca und Thorsten sind zwar auch schon seit sieben Jahren zusammen, aber heiraten wollen sie erst im Mai im botanischen Garten. „Da sind dann so viele Leute. Hier können wir schon mal ganz für uns allein feiern“, sagt Rebecca. Die 35-Jährige hat die „Trauung“ als Überraschung für ihren Freund organisiert – mit Brautstrauß aus rosa Rosen und Fotografin. Auf einem Spaziergang hat sie ihn zum Petriplatz gelotst. „Ich dachte zuerst, da steht eine Hüpfburg“, sagt der 34-Jährige Thorsten, der die „Hochzeit“ dann aber „kalt, aber sehr schön“ fand. Rebecca ist nach der Zeremonie „noch ganz aufgeregt“ und bewegt von den Worten der „Standesbeamtin“: „Sie hat so schöne und ganz persönliche Dinge gesagt, und das obwohl wir vorab nur ein paar wenige Informationen zu uns angegeben hatten.“ Die beiden haben in der aufblasbaren Kirche die Ringe getauscht, die eigentlich für die richtige Hochzeit gedacht sind. „Die kommen nachher aber wieder ins Kästchen und bleiben da bis zur Hochzeit“, sagt Rebecca.

Fast wäre ihre romantische Überraschung übrigens geplatzt. Ursprünglich wollten die Veranstalter nämlich die aufblasbare Kirche von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland mieten. Doch dort bemerkte man erst in der vergangenen Woche erst richtig, was die Internet-Firma eigentlich geplant hatte. Kurzerhand kündigte die Kirche den Vertrag, weil man darauf achten müsse, dass Veranstaltungen in der Plastikkirche nicht „dem christlichen Glauben diametral entgegenstehen“, sagte ein Sprecher der Evangelischen Kirche. Berliner Kirchenvertreter kritisierten die Aktion, weil dadurch die „Ernsthaftigkeit, die in der Liebe steckt“ in Frage gestellt würde. Und schon gar nicht dürfe jemand anderes als die Kirche einen „Gottessegen“ erteilen. „Albern“, findet Rebecca den Rückzieher der Kirche. Und das fanden auch die Veranstalter. Sie organisierten kurzerhand eine identische Aufpump-Kirche von einer Eventfirma aus England. Einen Gottessegen gibt es darin tatsächlich nicht. Aber das ist zumindest für Christiane und Hannchen nicht ganz ungewöhnlich: Die beiden Frauen, die sich am Morgen als erste das Jawort gaben, würden als gleichgeschlechtliches Paar nur in 10 von 22 Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland von einem Pastor gesegnet werden. In der katholischen gleich gar nicht. Und die beiden wirken, als sei ihnen die „Ernsthaftigkeit der Liebe“ durchaus wichtig. Ebenso wie Rebecca, Thorsten, Christine, Dieter - und Jeanett, 46 und Thoralf, 45. Die beiden sind nicht nur verliebt, sondern nach der Zeremonie auch ziemlich verfroren. „Das war das Warm up für die richtige Hochzeit“, sagt Jeanett trotzdem. Und fügt hinzu, wie kalt ihr sei und dass sie jetzt dringend Frühstück in einem warmen Café braucht. „Wir haben jetzt das siebte Beziehungsjahr gut überstanden“, sagt Thoralf. „Wenn die nächsten sieben Jahre genauso gut laufen, gucken wir mal mit der Hochzeit.“ Auch Christine und Dieter ist nach der Erneurung ihres Treueschwurs kalt. Sie wollen jetzt schnell in die Sauna.

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