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Kolumne Sonntagsfragen: Hurra, wir lassen uns scheiden!
Nach über zwanzig Jahren Ehe lässt sich ein befreundetes Paar scheiden - und lädt zur Scheidungsparty ein. Wie soll man damit umgehen?
Stand:
Ein befreundetes Paar hat sich nach 22-jähriger Ehe scheiden lassen. Als sei das nicht schon schlimm genug, lädt es auch noch zu einer Scheidungsparty ein. Ich finde das sehr geschmacklos. Sollte ich trotzdem hingehen? Die Initiative zu der Scheidung ging von ihr aus, ihn kenne ich aber länger. Kinder haben sie keine.
Warum genau finden Sie diese Einladung so geschmacklos? Natürlich ist eine Scheidung ein unerfreulicher Vorgang, dem oft noch unerfreulichere Ereignisse vorangehen. Nach 22 Jahre Ehe trennt man sich ja nicht einfach nur so aus einer Laune heraus, zumal es sicher nicht einfach ist, zwei Leben, die dann doch ineinander verflochten sind, wieder auseinander zu dividieren. Dass die Zeiten vorbei sind, da Ehepartner aus wirtschaftlichen wie konventionellen Gründen auf Gedeih und Verderb bis an ihr Lebensende zusammengeschmiedet sind, ist ja eigentlich zu begrüßen. Das hilft sicher auch, Unglück zu vermeiden.
Gehen Sie doch davon aus, dass die Freunde die Scheidung nach reiflicher Überlegung beschlossen haben. Manchmal kommen Paare einfach an einen Punkt, an dem es gemeinsam nicht mehr weitergeht, auch wenn das von Außenstehenden nicht unbedingt nachvollzogen werden kann, weil es den Partnern scheinbar gut geht und sie sich vielleicht auch ganz fröhlich geben. Gut möglich, dass Ihre Freunde die Trennung letztendlich als Befreiung empfinden, dass sie beschlossen haben, trotzdem Freunde zu bleiben und diesen Einschnitt in ihrem Leben mit alten Vertrauten zelebrieren und also auch besiegeln wollen.
Bei einem Rosenkrieg mit schrecklichen Kämpfen und leidenden Kindern würde gewiss keine solche Einladung ausgesprochen. Das wird auch sicher keine ausschweifende Party. Aber vielleicht gibt es einen kleinen Empfang, bei dem sich alle Anwesenden vornehmen können, irgendwie miteinander in Verbindung zu bleiben, ohne dass es Schatten oder Animositäten gibt. Dann wäre die Einladung keine Geschmacklosigkeit, sondern ein Ausdruck von Pragmatismus. Und es gäbe wirklich keinen Grund, aus moralischen Gründen nicht daran teilzunehmen.
Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de
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