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Als erste Zeugin im Prozess gegen einen Palliativarzt, der 15 Patienten getötet haben soll, sagte eine ehemalige Chefin des 40-Jährigen aus. (Archivfoto)

© Bernd von Jutrczenka/dpa

„Ich habe nicht mehr an Zufälle geglaubt“: Chefin von angeklagtem Palliativarzt ging zur Polizei – Mordprozess in Berlin

Ein Berliner Palliativarzt soll sich als Herr über Leben und Tod geriert haben. Wegen Mordes an 15 Patienten steht er vor Gericht. Ein Mann, der in seinem Team „gelobt und geliebt“ wurde.

Stand:

Im Team war man begeistert. Johannes M. sei „gelobt und geliebt“ worden, berichtet eine seiner ehemaligen Chefinnen als erste Zeugin im Mordprozess gegen den Palliativarzt. Nach knapp acht Monaten im Team ging sie zur Polizei - weil überdurchschnittlich viele Patienten nach Hausbesuchen des 40-Jährigen gestorben seien. „Vier Leichen und vier Brände innerhalb von sechs Wochen – ich habe nicht mehr an Zufälle geglaubt“, sagte die Zeugin vor dem Berliner Landgericht.

Johannes M. soll sich zwischen September 2021 und Juli 2024 als „Herr über Leben und Tod“ geriert haben, so die Anklage. 15 Patienten, 25 bis 87 Jahre alt, soll er jeweils mit einem tödlichen Medikamenten-Gemisch ermordet haben, um seine eigenen Vorstellungen von deren Sterben und Zeitpunkt des Lebensendes zu verwirklichen. Bei mehreren Taten habe er Feuer gelegt, um Spuren zu vertuschen. M. schweigt bislang zu den Vorwürfen.

Anfang 2024 hatte M., wie die Zeugin, im neu gegründeten Palliativteam eines Pflegedienstes begonnen. Zuvor hatte der seit 2020 in Berlin lebende Arzt mehrere andere Arbeitsstellen gehabt. Er habe ihr gegenüber eher beiläufig ein Burnout im Jahr 2022 erwähnt – „Auslöser war wohl eine verbrannte Person, es habe ihn umgehauen“, sagte die Zeugin. „Er sagte, er habe danach mit einer Online-Supervisorin gearbeitet, er fühle sich gut.“

Einige im Team kannten M. bereits, sie hätten sich ihn auch als Chef gewünscht, sagte die Zeugin. Er habe abgelehnt. Was sie über M. sagen könne, fragte die Richterin. „Anfangs kam nie ein schlechtes Wort.“ Einmal habe er nebenbei erzählt, dass sein Vater wegen Totschlags im Gefängnis sitze – „ich dachte: absurd, ich will darüber nichts wissen“. Er habe auch erzählt, dass er bei einem früheren Arbeitgeber mal mit Tassen geworfen habe, nun wegen einer geübten Entspannungstechnik so etwas nicht mehr mache.

Angeklagter soll ins Telefon gebrüllt haben: „Ich kündige!“

Es sei zu Auffälligkeiten des Kollegen gekommen – „einmal düste er durch den Flur, knallte eine Schranktür zu“. Und er habe mit falschen Behauptungen für Unruhe und Unfrieden im Team gesorgt. M. habe Gerüchte verbreitet, Mitarbeiter angeschwärzt und so überzeugend berichtet, dass ein Kollege sogar eine Abmahnung bekam. Nach der Festnahme von M. habe sich durch Gespräche im Team viel geklärt.

Über den gelobten Mitarbeiter wunderte sich die Chefin immer wieder. So habe er Anfang April ins Telefon gebrüllt: „Ich kündige!“ Nachdem er aufgelegt hatte, folgte ein Anruf mit einer Entschuldigung. Es seien über Ostern viele Patienten gestorben, es sei ihm zu viel. „Er bekam dann Neukölln“. Außerdem sei ein dritter Arzt ins Team gekommen.

Am 11. Juni 2024 rief er seine Chefin an und sagte, eine Patientin sei verbrannt. Eine 87 Jahre alte Frau, bei der er zum ersten Mal war. Er habe nach dem Besuch noch draußen vor der Tür gestanden und telefoniert, als er ein Feuer bemerkte, berichtete er damals. Es sei ihm nicht gelungen, sie zu retten. „Ich bot ihm Hilfe an, er lehnte sie ab“, schilderte die Chefin.

Am 8. Juli 2024 dann der Tod einer 76-Jährigen und ein nächster Brand. „Schon wieder Feuer“, fiel der Chefin auf. Nach dem Tod einer 72-Jährigen, die verkohlt auf ihrem Sofa gefunden wurde, ging die Zeugin zur Polizei. Ihre Befragung geht am 13. August weiter.

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