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Über den Kronprinzessinnenweg soll ein komfortabler Radschnellweg durch den Grunewald führen.

© imago/Joko

Vorsicht am Vatertag: In Berlins Südwesten sind viele Fahrradwege marode

Rot-Rot-Grün träumt vom Radschnellweg durch den Grunewald. Viele Routen in dem Ausflugsbezirk sind hingegen sanierungsbedürftig. Plant Berlin am Bedarf vorbei?

Eigentlich könnte das Leben für Fahrradfahrer im Südwesten so schön sein. Die Krumme Lanke und der Schlachtensee sind von Zehlendorf-Mitte aus per Fahrradweg erreichbar, zum Chillen am Wannsee kann man über den Kronprinzessinnenweg radeln, und selbst an die Pendler hat die Politik gedacht.

Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) spendiert Arbeitnehmern, die von Wannsee oder Zehlendorf aus in die City West wollen, einen komfortablen Radschnellweg. Vom S-Bahnhof Wannsee aus sollen Radfahrer in Zukunft über den Kronprinzessinnenweg und den Grunewalder Königsweg bis zur Messe Süd oder - falls sich die Planer für die Alternativroute entscheiden - sogar weiter bis nach Halensee fahren können. Und auch für diejenigen, die lieber in die S-Bahn umsteigen und ihr Rad parken möchten, soll gesorgt werden: Neben dem S-Bahnhof Zehlendorf ist ein Fahrradparkhaus geplant.

Auf dem Papier könnte sich der Bezirk im Südwesten als Radfahrerparadies bewerben. Doch die Realität sieht anders aus. Viele der Radwege sind marode. Etwa am Schlachtensee, dem touristischen Hotspot des Bezirks. Wer vom S-Bahnhof Nikolassee parallel zum See zum S-Bahnhof Mexikoplatz radelt, braucht starke Nerven und Mut zum Risiko. Junge Baumtriebe überwuchern den ohnehin schmalen Weg, rechts lassen Mauern keinen Raum für Fahrfehler, links droht der Absturz vom Bordstein.

Viele der Radwege in Zehlendorf sind alt und bestenfalls notdürftig ausgebessert. So müssen Radfahrer auf der Argentinischen Allee und der Clayallee höllisch aufpassen, mit ihren Rädern nicht die Umrandungen, die die Fahrradwege begrenzen, zu touchieren. Geht das schief, könnte man mit dem Rad umfallen.

Angesichts des desolaten Zustands vieler Radwege im Berliner Südwesten hält sich die Begeisterung mancher Zehlendorfer für das Prestigeprojekt Radschnellweg in Grenzen. „Ich möchte vor meiner Haustür sehen, dass etwas passiert“, ärgert sich der Zehlendorfer Bernd Strobel, „und nicht erst 2030“. Spätestens dann soll die neue Fahrradautobahn durch den Grunewald eröffnet werden.

Doch viele Menschen fragen sich, ob man das Geld nicht besser investieren könnte. „Wer wohnt denn schon an diesem Radschnellweg?“, fragt nicht nur Strobel. Zu Recht. Denn die Trasse verläuft parallel zur Avus und entspricht in weiten Teilen dem bereits bestehenden Kronprinzessinnenweg, der im Ortsteil Grunewald in den Königsweg übergeht. Dort leben vor allem Tiere wie Wildschweine oder Füchse. Aber auch am S-Bahnhof Wannsee wohnen kaum Menschen.

Wer vom Teltower Damm in Zehlendorf-Mitte auf den Kronprinzessinnenweg fahren will, muss erst einmal rund sechs Kilometer zurücklegen, um auf die Radschnellverbindung zu kommen. Vielen ist das zu weit, zu unbequem und zu unattraktiv. Und wer will schon zur Messe Süd - außer es ist Grüne Woche, ITB oder Funkausstellung?

Mit dem Rad nach Steglitz

Wohin der Zehlendorfer viel lieber will, ist die Schloßstraße in Steglitz. Eigentlich eine kurze Strecke mit dem Rad, wenn es eine vernünftige Verbindung gäbe. Doch der Radweg neben der Berliner Straße teilt das Schicksal vieler seiner Artgenossen, er ist schmal, ungepflegt und renovierungsbedürftig. Uwe Köhne ärgert das sehr. Statt eines Radschnellwegs durch den Grunewald wünscht sich der Grünen-Politiker, der im Bezirk Steglitz-Zehlendorf jahrelang den Verkehrsausschuss geleitet hatte, eine komfortable, schnelle Anbindung von Zehlendorf-Mitte an die Einkaufsmöglichkeiten in Steglitz.

Geplanter Radschnellweg: Muss der Kronprinzessinnenweg wirklich weiter ausgebaut werden?
Geplanter Radschnellweg: Muss der Kronprinzessinnenweg wirklich weiter ausgebaut werden?

© Heike Jahberg

Doch davon wollen die Planer nichts wissen. Allein schon der Busverkehr zwischen Zehlendorf und Steglitz mache eine solche Schnellverbindung unmöglich, gibt Thomas Ritter vom Planungsbüro SHP zu bedenken, der für die Planung des Radschnellwegs Kronprinzessinnenweg/Königsweg zuständig ist. Die Trasse durch den Grunewald habe vielleicht nicht so viel Potenzial, gesteht Ritter ein, sei aber einfacher umzusetzen.

Plant der Senat am Bedarf vorbei?

Das hängt nicht zuletzt davon ab, wie die künftige Schnellverbindung nach Westen angebunden wird. Gelingt es, die Arbeitnehmer, die in Dreilinden arbeiten und in Charlottenburg wohnen, oder die Beschäftigten, die in Potsdam wohnen und in Charlottenburg arbeiten, vom Auto auf das Rad zu bekommen? Das wird eine der Kernfragen für den Erfolg oder Misserfolg des Projekts sein.

Das vollautomatische Fahrradparkhaus

Aber was ist mit denen, die ihr Auto stehenlassen wollen, aber keine Lust haben, den gesamten Arbeitsweg per Pedes zurückzulegen? Auch hier gibt es ambitionierte Ideen. Hinter dem S-Bahnhof Zehlendorf, an der Hampsteadstraße, soll ein modernes Fahrradparkhaus entstehen - das erste in ganz Berlin. 122 Stellplätze soll es haben, die Räder werden vollautomatisch eingeparkt. Nutzer werden zahlen müssen, verschiedene Bezahlmodelle sind im Gespräch.

Brandenburg hat eins, Zehlendorf wartet noch: In Bernau gibt es ein Parkhaus für Fahrräder.
Brandenburg hat eins, Zehlendorf wartet noch: In Bernau gibt es ein Parkhaus für Fahrräder.

© P. Pleul/dpa/Zentralbild

Virtuell ist das Projekt weit gediehen, doch praktisch wird auch weiterhin erst einmal nichts zu sehen sein. „Der Bau war für Frühjahr 2018 geplant“, sagt Ilja Andersen, der im Straßen- und Grünflächenamt für die Radverkehrskonzeption zuständig ist, „jetzt wird es wohl erst Frühjahr 2020“. Schuld seien die Wasserbetriebe, die eine Leitung verlegen müssten und seit eineinhalb Jahren keine Planung vorlegen würden.

„Wir haben dem Bezirk niemals falsche Hoffnungen über die Geschwindigkeit gemacht“, entgegnet Astrid Hackenesch-Rump, Sprecherin der Wasserbetriebe. Die Arbeiten seien komplex: Ein Schmutzwasser-, ein Regenwasser- und ein Trinkwasserkanal müssten für das neue Parkhaus verlegt werden. Die Kanäle verlaufen unterirdisch. Mit dem Bezirk sei man seit Herbst 2017 in Kontakt, im vergangenen Monat haben die Wasserbetriebe dem Amt mitgeteilt, dass sie mindestens 14 Monate für die Planung und Ausschreibung benötigen. „Dann nehmen wir die Schaufel in die Hand“, kündigt Hackenesch-Rump an. Wie lange der Bau dauert? Keine Ahnung.

Maren Schellenberg weiß, dass viele Zehlendorfer unzufrieden sind. Die Grünen-Politikerin ist in Steglitz-Zehlendorf Stadträtin für Immobilien, Tiefbau und Umwelt. Der Radweg an der Clayallee wird spätestens 2020 in Ordnung gebracht, und auch am Fischerhüttenweg soll investiert werden, verspricht sie. Das Problem: Man braucht Personal für Planung, Verwaltung und den Bau, der Bezirk muss zudem das nötige Geld auftreiben. Denn während für die Prestigeprojekte Fahrradschnellwege der Verkehrssenat aufkommt, fließt das Geld für die Reparatur der einfachen Fahrradwege aus dem Etat für die Unterhaltung von Straßen.

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