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Berlin: In den USA lebende Tochter des damaligen Inhabers erinnert sich: "Holländische Fremdarbeiter wurden ebenso gut behandelt wie alle Arbeiter"

Bei der Bildgießerei Noack waren während des Krieges offenbar zwei bis drei Fremdarbeiter aus Holland beschäftigt. Daran habe sich jetzt seine Tante erinnert, sagte Firmenchef Hermann Noack IV gestern dem Tagesspiegel.

Bei der Bildgießerei Noack waren während des Krieges offenbar zwei bis drei Fremdarbeiter aus Holland beschäftigt. Daran habe sich jetzt seine Tante erinnert, sagte Firmenchef Hermann Noack IV gestern dem Tagesspiegel. Am Dienstag hatte Seniorchef Hermann Noack III noch gesagt, die "Zwangsarbeiter"-Frage könne er leider nicht aufklären. Alle damaligen Mitarbeiter der Firma und Familienmitglieder seien verstorben. Diese Aussagen hatten wir in unserer Ausgabe vom Mittwoch auf S. 3 zitiert.

Die Bildgießerei Hermann Noack wird in der "Berliner Liste" des American Jewish Committee (AJC) genannt. Auf dem Firmengelände in der Varziner Straße (Friedenau) soll ein "ziviles Zwangsarbeiterlager" bestanden haben. Der Sohn des damaligen Firmenchefs und heutige Seniorchef, der 68-jährige Hermann Noack III, sagt, er habe davon nichts gewusst.

Familie Noack ist seit dem Tagesspiegel-Gespräch noch weitergegangen auf dem schwierigen Weg in die Vergangenheit. Am Dienstagabend rief der Senior seine Schwester an, um ihr zum 76. Geburtstag zu gratulieren. Uschi Noack, die während und nach dem Krieg in der väterlichen Bronzegießerei arbeitete, lebt seit Ende der 40er Jahre in den USA. Im Gespräch seien die beiden Geschwister, so Noack Junior, auch auf "die Sache mit den Zwangsarbeitern" gekommen. Die Tante habe sich erinnert: Es seien zwei bis drei holländische Fremdarbeiter gewesen, für die im Frühjahr 1944 auf dem Firmengelände eine Baracke als Unterkunft gebaut wurde. Über den Bauantrag war auch die im Auftrag des AJC recherchierende Geschichtswerkstatt auf die Firma Noack gekommen. Die Anzahl der in der Baracke untergebrachten Arbeiter sei in den Dokumenten nicht genannt, erfuhren Noacks jetzt von der Geschichtswerkstatt.

Was bedeutet es nun, dass die Gießerei Fremdarbeiter beschäftigt hat? Hermann Noack IV glaubt, so etwas sei während des Krieges unumgänglich gewesen. Nach dem Bericht seiner Tante gehe er davon aus, dass die Holländer freiwillig zu seinem Großvater kamen. Zumindest aber wurden sie, sage die Tante, "genauso behandelt wie alle anderen Arbeiter". Wenn man aber in der AJC-Liste "Zwangsarbeiterlager" lese, denke man automatisch an "Baracken wie in einem Konzentrationslager". Noack ist erleichtert, weil er nun meint, den Zwangsarbeiter-Vorwurf zurückweisen zu können.

Dass holländische Fremdarbeiter in Nazi-Deutschland so wie deutsche Arbeiter behandelt wurden, sei "denkbar, aber unwahrscheinlich", sagt Deidre Berger, Leiterin des Berliner AJC-Büros. Nach Ansicht von NS-Forschern waren Ausländer im Rassenstaat "erheblicher Diskriminierung" ausgesetzt. Auch könne heute kaum noch geklärt werden, ob einzelne holländische Fremdarbeiter sich zur Arbeit in Deutschland meldeten oder ob sie zwangsverpflichtet wurden. 1943, als Noack den Bau der Baracke beantragte, sei Holland von der Wehrmacht besetzt gewesen. Vom Umgang der Noacks mit dem Erbe der NS-Zeit ist Deidre Berger beeindruckt. "Es ist sehr verantwortungsvoll, wie sie versuchen, sich damit auseinander zu setzen."

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