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Foto: Pascale Müller

© Pascale Müller

Gemeinsame Sache in Friedrichshain-Kreuzberg 2016: In Kreuzberg steht ein Haus für alle

Jedes Alter will man erreichen im Mehrgenerationenhaus im armen Wassertorkiez. Zum Aktionstag soll ihr Garten aufblühen.

Verdorrte Büsche, graue Erde und ein Schild, auf dem steht: „Das ist kein Hundeklo!“ Das kleine Stück Rasen vor dem Vereinshaus des Wassertor e.V. sieht kläglich aus. „Besonders einladend sieht das nicht aus“, gibt Projektleiter Thomas Brockwitz zu. Der Aktionstag soll das ändern. Aus der Brache soll eine kleiner Garten werden, mit frischer Erde, Pflanzen, Sitzbänken. Das Holz dafür hat ein Unternehmensnetzwerk schon gespendet. Jetzt fehlen nur noch Helfer, die beim Umgraben und Aufbauen mitmachen. Wenn zehn Leute kommen, wäre es zu schaffen. „An Ideen mangelt es uns nicht“, sagt Brockwitz: „Aber wir brauchen schon einige Leute, die helfen, damit wir das alles schaffen.“

„Ehrenamt hat eine sehr große Bedeutung für uns“, sagt Brockwitz und geht um das bunt bemalte Haus herum in den hinteren Garten. Dort hängen bunte Wimpel in den Bäumen. Von der Kita gegenüber dringt Kindergeschrei. Wassertor e.V. ist ein Café und Begegnungszentrum und entstand vor acht Jahren aus einer Bewohnerinitiative. Noch heute sind alle Aktiven auch Anwohner, viele von ihnen ehrenamtlich. Die Köchin etwa, die jeden Tag ein aus Spenden finanziertes Mittagessen kocht. Oder die Handwerker, die derzeit die Innenräume in Schuss bringen.

Von ganz alt bis ganz jung

Im Erdgeschoss liegt das Café, im Obergeschoss sind etwa 20, vor allem arabische, tamilische und afrikanische Vereine zu Hause. Außerdem „Formatwechsel“, eine Medienwerkstatt für Mädchen. Anwohner jeder Altersklasse kommen hierher, von ganz alt bis ganz jung. Zurzeit sind es fast 2900 Menschen, die jeden Monat die Angebote im MehrGenerationenHaus wahrnehmen.

Da werden Freiwillige immer wieder gesucht: Als Unterstützung beim Mittagstisch oder bei der Kinderbetreuung. Es geht nicht nur um Hausaufgabenhilfe, sondern vor allem ums gemeinsame Spielen und Zuhören. „Das ist etwas, dass vielen Kindern hier fehlt“, sagt Brockwitz. Der Wassertorkiez zählt nach dem Berliner Sozialmonitoring seit Jahren zu den schwierigsten Berliner Stadtvierteln überhaupt. Er liegt im Sozialvergleich ganz am Ende des Rankings: Platz 417 von 419.

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Kinderarmut liegt bei 80 Prozent. Wassertor e.V. bietet daher vor allem Beratung für alles an, was mit dem täglichen Leben zu tun hat: Buchhaltung, Rechnungen sortieren, Alphabetisierungskurse. Eine Anwältin hilft Kiezbewohnern bei Problemen mit dem Vermieter oder dem Jobcenter – ehrenamtlich natürlich. Auch in der Flüchtlingshilfe ist der Verein aktiv. Auf dem Dach haben Freifunker einen Empfänger installiert, damit die Bewohner der nahe gelegenen Notunterkunft Internetzugang haben.

Wo es enger wird, knallt es auch häufiger

Thomas Brockwitz ist seit fünf Jahren dabei. In dieser Zeit hat sich der Kiez verändert, erzählt er. Obwohl hier jeder Zweite von Transferleistungen lebt, habe eine „extreme Mietsteigerung“ stattgefunden. „Viele haben große Angst, ob sie in ihren Wohnungen bleiben können.“ Deshalb ziehen die Menschen wieder stärker zusammen. Obwohl in den vergangenen Jahren im Kiez keine neuen Wohnungen entstanden, leben heute mehr Menschen als früher im Kiez. Wo es enger wird, knallt es auch häufiger. Brockwitz sagt: „Wir versuchen zur Befriedung beizutragen.“

Einmal in der Woche veranstaltet er gemeinsam mit einer deutsch-arabischen Kollegin einen „Kaffeeklatsch im Treppenhaus“. Nachbarn sollen hier zueinanderfinden, Feindseligkeiten und Vorurteile überwinden. Manchmal klappt das auch. „Da merken die Leute dann, dass der andere doch nicht so ein Stinkstiefel ist“, sagt Brockwitz. Für ihn gilt: „Das persönliche Gespräch ist entscheidend.“

Auch die Gartenaktion hat in diesem Befriedungsplan ihren Platz. „Es ist ein sehr asphaltreiches Gebiet hier“, sagt Brockwitz. „Jede Blüte setzt da ein positives Zeichen.“ Die Menschen sollen das Gefühl haben, dass auch ihr Kiez etwas wert ist und schön anzuschauen. Deshalb soll am Aktionstag nicht nur der kleine Vorgarten umgestaltet werden. Auch für den hinteren Teil des Gartens gibt es Pläne. Ein Ruhebereich und ein „Actionbereich“, vor allem für spielende Kinder, soll mit einer Hecke abgegrenzt werden, außerdem sollen Hochbeete angelegt werden, damit die Anwohner dort selbst Gemüse ziehen können.

Kontakt: MehrGenerationenHaus, Wassertor e.V. , Wassertorstr. 48, 10969 Berlin. Email: brockwitz@mgh-wassertor.de

Pascale Müller

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