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„In einem Gefühl von Alternativlosigkeit kam es zu der Tat“, erklärte Frank W. zu Prozessbeginn.

© Paul Zinken/dpa

Prozess in Berlin: In SPD-Zentrale gerast: Bewährungsstrafe für 59-Jährigen

Frank W. befand sich in einer einmaligen Konfliktsituation, heißt es im Urteil. Er bekam ein Jahr und acht Monate Haft auf Bewährung.

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Während andere unter dem Weihnachtsbaum saßen, setzte sich Frank W. in seinen Peugeot. Er hatte sich lange auf diesen Tag vorbereitet, sein Auto explosiv mit Gaskartuschen und Benzinkanister beladen. Der 59-Jährige war an Heiligabend 2017 in die SPD-Parteizentrale gerast. Er wollte sich umbringen und zugleich ein Zeichen setzen, sagte er am Mittwoch vor dem Amtsgericht Tiergarten. Alles nur wegen der Pflicht zur Teilnahme am Mikrozensus. Nun bekam W. ein Jahr und acht Monate Haft auf Bewährung.

Der Schock war groß, als die Nachricht von einem Anschlag auf das Willy-Brandt-Haus die Runde machte. Natürlich gingen die ersten Gedanken in Richtung Terrorismus. Schnell aber wurde klar: Ein bis dahin braver Mann, der als Kraftfahrer sein Geld verdiente, saß hinter dem Steuer. „Er befand sich in einer einmaligen Konfliktsituation“, hieß es im Urteil. Er habe unter einer Anpassungsstörung gelitten und sei vermindert schuldfähig gewesen.

Ins Foyer geprescht

Es war kurz vor Mitternacht, als W. sein Auto in die Wilhelmstraße steuerte. Er entzündete noch eine Petroleumlampe im Kofferraum, die seine Ladung zur Detonation bringen sollte. Dann gab er Gas. Er fuhr an Pollern vorbei auf das Gelände, durchbrach die zwei Meter breite Glastür im Eingang und preschte in das Foyer. Bis er nach 15 Metern an einer Betonsäule landete.

Tatsächlich brannte der Wagen aus. Doch die Sprinkleranlage im Gebäude sprang an und löschte die Flammen schnell. Frank W. stieg aus. Mit einer Platzwunde am Kopf. Weitere Menschen wurden nicht verletzt. Hoch aber ist der Sachschaden. Rund 160.000 Euro sind es, die W. in den nächsten Jahren abstottern muss.

„In einem Gefühl von Alternativlosigkeit kam es zu der Tat“

„In einem Gefühl von Alternativlosigkeit kam es zu der Tat“, erklärte W. zu Prozessbeginn. Heute sei ihm seine damalige Entscheidung fremd. Es sei ihm ein Graus, „mein gesamtes Leben durchleuchten zu lassen“. Als er den Mikorzensus verweigerte, sei ihm vom zuständigen Amt für Statistik erst ein Zwangsgeld angedroht worden. Er habe Briefe geschrieben und mit Selbstmord gedroht. Man habe den Sozialpsychiatrischen Dienst und sogar die Polizei geschickt.

Für die jährliche Erhebung werden stichprobenartig Haushalte in ganz Deutschland ausgewählt, die zu Alter, Geschlecht oder Wohnsituation befragt werden. Alle Daten werden laut Datenschützern strikt anonymisiert.

Frank W. sagte, er habe sich „wie in einem Tunnel“ befunden. Jetzt habe er sein Leben wieder im Griff. Davon ging auch das Gericht im Schuldspruch wegen versuchter Brandstiftung, versuchten Herbeiführens einer Explosion, Sachbeschädigung aus. 22 Monate Haft auf Bewährung verlangte der Ankläger.

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