
Berlin: Intercity-Hotel entsteht bis 2013 am Hauptbahnhof Opposition setzt Ausschuss zur Howoge-Affäre ein
CDU, FDP und Grüne legen gemeinsamen Antrag vor. In sechs Sitzungen soll ab März die Verantwortung des Senats geklärt werden
Langsam füllt sich das Brachland rund um den Hauptbahnhof. Für den ersten der vier Gebäudeblocks am Südwestende des Entwicklungsgebiets „Europacity“ wurde ein jetzt ein Mieter gefunden: die Steigenberger-Gruppe, die dort Ende 2013 ein Intercity-Hotel eröffnen wird. Es handelt sich um das bisher größte Haus dieser Steigenberger-Tochter. Es soll neben 412 Zimmern der gehobenen Mittelklasse auch ein Restaurant, eine Lobbybar und acht Konferenzräume enthalten, dazu Platz für 70 Autos in der Tiefgarage. Die Investitionssumme wurde mit „erheblich mehr als 50 Millionen Euro“ angegeben. Steigenberger-Vorstandssprecher Arco Buijs betonte, es handle sich nicht nur um das bislang größte Intercity-Hotel, sondern auch das Flaggschiff der Marke.
Steigenberger hat das Hotel auf 20 Jahre gepachtet. Bauherr und Eigentümer ist die Frankfurter Vivico-Gruppe, die wiederum dem börsennotierten österreichischen Investor CA Immo gehört. Henrik Thomsen, der Leiter der Berliner Niederlassung, kündigte den Baubeginn für das dritte Quartal 2011 an. Der Standort sei „angekommen und auch angenommen“, sagte er. Vivico wird auch den Bau der Deutschland-Zentrale der Total-Gruppe nördlich des Bahnhofs selbst verwirklichen. Baustadtrat Ephraim Gothe, der trotz Ankündigung nicht erschienen war, wurde in der Pressemitteilung mit dem Satz zitiert: „Nach langer Zeit der Planung kommen wir nun in die konkret sichtbare Phase der Umsetzung der Projekte“.
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher betonte die architektonische Qualität des Gebäudes, das vom Braunschweiger Büro Reichel + Stauth entworfen wurde. Diese Gestaltung beruht auf einem städtebaulichen Wettbewerb, der bereits 2006 entschieden wurde, und in dem sich die Aufteilung in vier Blöcke grundsätzlich gleicher Gestaltung ergeben hatte. Dieter Reichel, der Architekt, hob als Besonderheit die Gliederung des Gebäudes mit Vor- und Rücksprüngen in den einzelnen Geschossen hervor, die den Baukörper differenziert gliedern. Die Fassade soll in hellem, vermutlich lichtgrauem Naturstein ausgeführt werden.
Intercity-Hotels befinden sich grundsätzlich an Bahn- oder Flughäfen, in Berlin bisher am Ostbahnhof und in Schönefeld. Gegenwärtig gibt es 32 Häuser in Deutschland und Österreich, weitere Expansion ist geplant. Eine Besonderheit dieser Hotels besteht darin, dass die Gäste den öffentlichen Nahverkehr kostenfrei nutzen können. bm
Spätestens im März wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Affäre um die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge eingesetzt. Im Mittelpunkt stehen rechtswidrige Vergaben von Aufträgen ohne Ausschreibung an eine Firma des früheren SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg. Hinter diesen Vorgängen vermutet der Grünen-Abgeordnete Jochen Esser eine „Filzokratie“, „die bis in den rot-roten Senat hineinreicht“. Deshalb will der Ausschuss auch die Rolle von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) untersuchen.
Am Mittwoch stellten CDU, FDP und Grüne den bereits ins Parlament eingebrachten Antrag vor. Der CDU-Abgeordnete Nicolas Zimmer soll den Ausschussvorsitz übernehmen. SPD und Linke wurden nicht zu dem Antrag befragt. Die Koalition kann den Ausschuss trotz Mehrheit im Abgeordnetenhaus nicht verhindern, weil dessen Einberufung ein „Minderheitenrecht“ der Opposition ist.
„Die Howoge-Affäre hat sich nach und nach zu einem handfesten Skandal ausgeweitet“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Florian Graf. Ausgangspunkt sei die beabsichtigte Luxussanierung von Howoge-Wohnungen im Stadtteil Buch, die zu einer Verdoppelung der Mieten geführt hätte. Anschließend wurde bekannt, dass die Aufträge ohne Ausschreibung vergeben wurden und dass der Auftragnehmer, die Firma des Ex-SPD-Abgeordneten Hillenberg, die Honorarordnung nicht eingehalten hatte. Schließlich wurde die gemeinsame Parteizugehörigkeit ruchbar zwischen den auftraggebenden Howoge-Geschäftsführern, auftragnehmenden Unternehmern sowie Mitgliedern des Howoge-Kontrollgremiums. Deshalb sieht Graf in dem Fall ein „Symbol für die Verflechtung öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften und Berliner Sozialdemokratie“.
Die Opposition nimmt dabei Ingeborg Junge-Reyer ins Visier. Die Stadtentwicklungssenatorin war bei einer Sitzung des Howoge-Kontrollgremiums im Juni 2006 anwesend, in der eine rechtswidrige Auftragsvergabe ohne Ausschreibung Thema war. Während Junge-Reyer bestreitet, dies so verstanden zu haben, hatte der damals ebenfalls anwesende frühere Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) in einem Brief an einen der freigestellten Howoge-Geschäftsführern bestätigt, dass er das umstrittene Vergabeverfahren gebilligt habe, weil die freihändige Vergabe günstiger für die Howoge gewesen sei als eine Ausschreibung. Die Freistellung der Geschäftsführer könne daher auch ein „Bauernopfer“ gewesen sein, um die Verantwortung von Senatsmitgliedern für die unrechtmäßigen Vergaben zu kaschieren, so FDP-Chef Christoph Meyer. Zu klären sei auch, warum Hillenbergs Firma im Nachhinein Honorare für Aufträge von der Howoge verlangt, obwohl er bisher die Direktvergaben mit seinen preisgünstigeren Leistungen begründet hatte.
Nicht mehr als 15 Zeugen soll der Ausschuss in sechs Sitzungen bis zum Sommer hören. Der Abschlussbericht soll im September vorgelegt werden. Aufschluss über den Fall erhoffen sich die Abgeordneten vor allem durch die Anhörung von Thilo Sarrazin. Dessen Einladung durch das Abgeordnetenhaus hatte eine Mehrheit von SPD und Linke verhindert. Der Ausschuss sei daher „die letzte Möglichkeit“ den Fall aufzuklären, so Meyer.
Für den grünen Haushaltsexperten Esser gingen die Howoge-Geschäftsführer wohl davon aus, die „Rückendeckung des rot-roten Senats“ für ihre umstrittenen Vergaben zu haben. Und Meyer nannte es „schwer vorstellbar“, dass beide Senatsverwaltungen für Finanzen und Stadtentwicklung die Umgehung der Ausschreibungsrichtlinien „nicht mitbekommen haben“. Bei der Aufsichtsratssitzung zu zwei Vergaben, von denen die Howoge eine hätte ausschreiben müssen, waren neben den Senatoren vier Staatssekretäre aus den Fachressorts anwesend.