zum Hauptinhalt
Die Einwohnerzahl Berlins wächst beständig, doch an Wohnungen mangelt es.

© Kitty Kleist-Heinrich

Interview mit Maren Kern (BBU): „Bauherren rennen von Pontius zu Pilatus“

Die Chefin des größten wohnungswirtschaftlichen Verbandes der Region vermisst klare Verwaltungs-Strukturen und eine Vision für die wachsende Stadt.

Von

In der Senatskanzlei arbeiten Experten angestrengt an Konzepten, wie Berlins schlaftrunkene Ämter auf Vordermann gebracht werden können. Wir hören, Sie haben schon Ergebnisse?

Wir haben eine gutachterliche Stellungnahme in Auftrag gegeben, wie Bauplanungsverfahren beschleunigt werden könnten. Demnach sollten wir die Fachaufsicht der Senatsverwaltung über die Bauaufsichtsbehörden der Bezirke wieder einführen. Das gab es schon früher. Der Senat sollte bei Widersprüchen in Baugenehmigungsverfahren eintreten können und auch dann, wenn ein Amt in einem Bezirk die Bearbeitungsfrist nicht einhält oder wenn gesamtstädtisches Interesse gilt. Notwendig sind außerdem Neubaumanager in den Bauämtern.

Was sollten Neubaumanager machen?

Sie sollten Bauwillige durch die Genehmigungsprozesse begleiten und die Behördengänge managen. Zurzeit rennen Bauherren von Pontius zu Pilatus, das ist fürchterlich. Mal ist aus Sicht des Bezirks die Bebauung zu hoch, dann hat sich auf dem Grundstück spontan ein schützenswerter Wald gebildet, mal ist das Tiefbauamt nicht einverstanden, dann das Denkmalamt oder das Grünflächenamt, schließlich will die Behörde noch einmal ganz grundsätzlich darüber reden, ob auf der Fläche nicht doch lieber eine Kita oder Schule gebaut werden soll. Aus Sicht jeder zuständigen Fachbehörde mag das ja richtig sein, aber hier muss mal was passieren, damit der Blick für das große Ganze nicht verloren geht.

Rot-Rot-Grün hat aber gerade beschlossen, die Autonomie der Bezirke zu stärken. Sie fordern also das Gegenteil?

Wir fordern eine Korrektur. Letztendlich müsste man an das allgemeine Zuständigkeitsgesetz ran, das 1996 viele Befugnisse in die Bezirke verlagert hat. Ich habe dazu auch schon mit etlichen Politikern gesprochen, aber alle meinen, das kriegen wir nicht durch.

Warum wird es seitens des Senats nicht wenigstens versucht?

Weil es Konflikte birgt. Dabei muss Berlin doch mehr sein als die Summe seiner Teile, also der Bezirke. Das Problem liegt auch darin: Es fehlt eine Vision für die gesamte Stadt, ein großer planerischer Ansatz. Berlin braucht einen Masterplan Wachstum. So einen Plan hatte man im vorletzten Jahrhundert, und den hat man auch bei der Bildung Groß-Berlins 1920 gehabt. Die Stadt wächst auf vier Millionen Einwohner, da braucht es eine Vision. Und für die muss man bei den Menschen dann mit einer Wachstums-Kampagne werben. Die Stadt braucht einen Mentalitätswandel, auch in der Verwaltung bis hinein in die letzte Amtsstube. Mit einem Masterplan als Basis, der sagt: Wir wachsen – und wir wollen auch wachsen!

Was würde in einem solchen Masterplan stehen?

Wo Berlin hinwill, und was dazu notwendig ist. Das hilft dann auch bei der Zuordnung im Fall von Konkurrenzen um Flächen zwischen Wohnungsbau, Wirtschaft, Verkehr und Bildung. Zurzeit wird nicht oder viel zu spät entschieden, oder das Amt sortiert und clustert die Grundstücke zu Tode. Wir können aber nicht auf 20 Jahre Grundstücke freihalten, nur so auf Verdacht.

Gibt es Ihrer Meinung nach eine Art Angst in der Stadt vor Entscheidungen, weil Berliner immer und besser meckern als andere?

Vielleicht ist es nicht unbedingt Angst vor dem Bürger, sondern eher eine in langen Jahren gewachsene Bequemlichkeit und Scheu vor Konflikten. Auf jeden Fall kann es problematisch für die Demokratie werden, wenn der Eindruck vermittelt wird, jeder könnte bei allem und immer mitentscheiden.

Ist das nicht gerade Demokratie ?

Wir haben nun mal eine repräsentative Demokratie. So redet aber jeder mit, mit teilweise ganz anderem und oft sehr subjektivem Fokus. Das ist wenig zielgerichtet. Wir sehen uns als Experten der Wohnungswirtschaft und reden ja auch nicht mit, wenn es zum Beispiel um die Gesundheitsreform geht.

Die Krise des Expertentums erreicht die Baubranche?

Fast alles, was Experten entwickelt haben, wird ja heute grundsätzlich in Frage gestellt. Da werden massiv eigene Interessen verfolgt, beschränkt auf das eigene Haus oder den kleinen Kiez. Und solche Gruppen mit ihrer sehr subjektiven Sicht reden plötzlich genauso gewichtig mit wie wir, die für 40 Prozent des Mietwohnungsbestands, 120 Jahre Expertise und den Blick auf die gesamte Hauptstadtregion stehen.

Deshalb führt es nicht zu dem, was Sie sich wünschen: dass gebaut wird.

Es führt nicht zum gewünschten und notwendigen Ergebnis für die Stadt. Die Rechnung ist einfach: Es gibt Zuzug, also brauchen wir Neubau, sonst steigen die Mieten weiter. Oder wir müssen die Wohnfläche für jeden verkleinern. Das will aber auch keiner und man kann es auch gar nicht.

Nimmt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher mit der Beteiligung nicht wenigstens den Druck aus dem Kessel am Wohnungsmarkt?

Nur kurzfristig. Sie vermittelt den Bürgern zwar, dass sie gehört und ihre Interessen berücksichtigt werden. Aber der Druck ist ja dadurch nicht weg. Das ist nur eine vorübergehende Beruhigung.

Die Neubauzahlen sind trotzdem gut.

Es ist aber auch eine Tatsache, dass nach wie vor deutlich weniger als die eigentlich erforderlichen 20 000 Neubauwohnungen pro Jahr fertiggestellt werden.

Einige sagen, Frau Lompscher kapsele sich ab. Erreichen Sie sie noch?

Ich habe viel Kontakt zu ihr. Es ist ja gut, dass sie zu ihren Überzeugungen steht. Und es gibt auch Bewegung, beispielsweise mehr Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg. Dass vieles aber so lange dauert und in der Stadt nicht genug gebaut wird, bereitet uns Sorge.

Im Zuge der Bürgerbeteiligung hat Lompscher die städtischen Wohnungsunternehmen verpflichtet, bei größeren Projekten drei verschiedene Bauvarianten zu entwerfen. Gut so?

Bauen wird dadurch teurer und langwieriger. Für jedes Konzept braucht es eine Grundplanung, bei drei Konzepten drei Planungen. Oft werden externe Büros beauftragt und die machen das nicht umsonst. Partizipationsverfahren verzögern Bauprojekte um mindestens ein Jahr. Berlin wächst aber schon seit mehreren Jahren, wir brauchen Neubau jetzt. Sonst leidet die Attraktivität Berlins. Bei Fachkräften für Startups zum Beispiel. Bisher kommen die zu uns, weil die Stadt hip und preisgünstig ist. Das könnte bald nicht mehr der Fall sein.

Genossenschaften sehen viele als die Guten im Kampf um bezahlbaren Wohnraum. Tut der Senat genug für diese?

Die Absicht ist da, aber in der Praxis passiert zu wenig. Genossenschaften bräuchten dringend mehr Baugrundstücke. Zwei Jahre hat die landeseigene BIM gesucht und jetzt genau drei Grundstücke angeboten. Davon war eins höchstens groß genug für eine Doppelhaushälfte. Das zweite sollte auf der Hälfte der Fläche Ateliers bieten. Nur eins war wirklich geeignet. Das Ganze wird noch einmal getoppt dadurch, dass die Grundstücke nur per Erbbaurecht vergeben werden und die Senatsverwaltung für Finanzen das Erbbaurecht nicht mehr für 99 Jahre vergeben will, sondern für 60.

Gerade mal eine Generation, wer baut da schon?

Genossenschaften wohl nicht, weil sie Bestandshalter sind und über einen ganz langen Zeitraum die Wohnungen anbieten müssen. Wie gesagt, Genossenschaften brauchen bezahlbares Bauland oder sie bauen eben woanders. Der Beamtenwohnungsverein zu Köpenick baut jetzt in Schöneiche, weil er in Berlin kein bezahlbares Bauland finden konnte. Auch viele Private gehen eher ins Umland oder in andere größere Städte, wo Bauen leichter ist.

Maren Kern, 60, ist Vorstand beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Deren 350 Mitglieder, darunter die landeseigenen Wohnungsbauunternehmen, besitzen 40 Prozent aller Mietwohnungen in Berlin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false