Berlin: Ist der Streik bei den Verkehrsbetrieben berechtigt?
Acht Prozent Einkommenseinbußen – darauf würde sich Verdi bei den Tarifverhandlungen mit der BVG einlassen. Man kann nicht sagen, dass die Gewerkschaft stur auf Besitzstandswahrung setzt.
Acht Prozent Einkommenseinbußen – darauf würde sich Verdi bei den Tarifverhandlungen mit der BVG einlassen. Man kann nicht sagen, dass die Gewerkschaft stur auf Besitzstandswahrung setzt. Dem Senat als Geldgeber reicht das Angebot nicht aus. Er verlangt weitere Einschnitte und scheint wild entschlossen, diese durchzusetzen. Ein in Hinblick auf leere Haushaltskassen auch kein unverständliches Ansinnen. Aber mehr will Verdi seinen Mitgliedern nicht zumuten; die Gewerkschaft ist ebenso willens, Härte zu zeigen. Es ist also eine Tarifauseinandersetzung, die auf einen klassischen Arbeitskampf hinausläuft. In einer solchen Situation hat jede Seite das Recht, die ihr zur Verfügung Mittel anzuwenden, um das Ziel zu erreichen. Warum sollten die BVG-Beschäftigten also nicht streiken dürfen? Etwa, weil sie mit ihrer Aktion vor allem die Bürger der Stadt trifft statt den Senat? Diese Frage wird bei einem Streik im öffentlichen Dienst immer gestellt. Verdi wird sich die Taktik gut überlegt haben und zusehen, dass die Belastungen für die Bürger sich in Grenzen halten. Denn man möchte sich nicht alle Sympathien verscherzen. Außerdem kann niemand behaupten, dass die Gewerkschaft die Stadt bisher übermäßig mit Arbeitskämpfen überzogen hat: Der letzte Streik, der die BVG betraf, liegt fünf Jahre zurück.
Einem braven BVG-Busfahrer ist sein Geld zu gönnen. Der Job tut schon beim Hingucken weh, manchmal auch ganz handfest. Die Sonne kocht die Fahrerinnen und Fahrer hinter ihrer Scheibe gar, die Passagiere sind nicht immer guter Laune und manchmal aggressiv; nachts ist der Stress garantiert nicht kleiner. Das alles bei Schichtdienst. Ein Grund für einen Streik liegt trotzdem nicht darin. Wenn sich die Funktionäre von Verdi um die Angestellten der BVG kümmern, wird man den Eindruck nicht los, sie wollten im Rückwärtsgang in die 70er Jahre. Den BVG-Angestellten mag es schon besser gegangen sein – sie stehen immer noch gut da; daran wird sich nichts ändern. Doch die BVG muss besser und konkurrenzfähig werden. Die Gewerkschafter – und ihre Klientel – sollten endlich erkennen, dass die Zeiten ständiger Gehaltszuwächse vorbei sind. Das würde sie mit großen Teilen der Berliner Bevölkerung verbinden. Wenn wir schon dabei sind, über die Grenzen gewerkschaftlich organisierten Forderns hinaus zu gehen: Wenn BVG-Busfahrer tatsächlich so entbehrungsreich leben, kann der eine oder andere doch auf den Reisebus umsteigen. Nach allem, was man hört, liegt der Tariflohn da aber um 800 Euro unter BVG-Standard. Und das eigene Bettchen bleibt jährlich an 270 Nächten kalt. Werner van Bebber