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Der Bezirksverordnete Hans Erxleben engagiert sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus.

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Politiker begründet Strafanzeige wegen Horst-Wessel-Lied: „Jeder Schüler konnte das Blatt mit nach Hause nehmen"

Der Linken-Bezirksverordnete Hans Erxleben erklärt seine Anzeige wegen des Horst-Wessel-Liedes an einer Köpenicker Schule. Die Einstellung des Verfahrens will er nicht einfach hinnehmen.

Herr Erxleben, Sie haben eine Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet, nachdem Schüler des Emmy-Noether-Gymnasiums im Musikkurs das Horst-Wessel-Lied behandelt haben. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt. Verstehen Sie das?
Nein, zumal ich davon nur aus der Zeitung weiß. Bei mir hat sich seit der Anzeige vom 20. März niemand gemeldet: nicht die Schule, nicht die Polizei, nicht die Staatsanwaltschaft. Ich habe nicht mal ein Aktenzeichen bekommen. Das brauche ich aber, weil ich gegen die Einstellung des Verfahrens möglicherweise Widerspruch einlegen werde. Genau weiß ich das aber erst, wenn ich die Begründung der Staatsanwaltschaft kenne.

Eigentliches Thema der Unterrichtsstunde soll „Der Kälbermarsch“ gewesen sein, Bertolt Brechts Parodie auf das Nazilied.

Die Stichworte „Kälbermarsch“ und „Brecht“ habe ich erst im Nachhinein über die Medien gehört.

Wie haben Sie von der Sache erfahren?

Schüler hatten Blätter mit dem Text des Horst-Wessel-Liedes mit nach Hause genommen. Ein Elternteil war über dieses Blatt derart erschrocken, dass er sich an Nachbarn wandte. Die haben sich dann bei mir gemeldet. Am nächsten Tag habe ich mir das angesehen und gesagt: Da muss man was tun. Und weil sich die betroffene Familie nicht getraut hat und der Schüler Angst hatte, seinen Namen öffentlich zu machen, habe ich das halt übernommen. Ich bin persönlich mit dem Textblatt in die Schule zum stellvertretenden Direktor gegangen und habe gesagt, dass ich mich an die Polizei gewandt habe.

Haben Sie mit der Lehrerin gesprochen?

Ich kenne die Lehrerin nicht. Als ich mich am 27. März noch mal bei der Schule gemeldet habe, sagte der stellvertretende Direktor etwas von Nachrichtensperre. Seitdem habe ich nichts wieder von dem Fall gehört. Dabei hätte ich mir ein Feedback gewünscht. Vielleicht hatte die Lehrerin ja wirklich gute Absichten. Den genauen Ablauf des Musikkurses kenne ich nicht.

Was genau wissen Sie denn?

In der Zeitung lese ich, dass der Text nur als Unterrichtsmaterial verteilt worden sei. Da frage ich mich: Warum steht nicht auf dem Blatt, dass es sich um einen verbotenen Text handelt, der nicht verbreitet werden darf? Jeder Schüler konnte es mit nach Hause nehmen und damit machen, was er wollte. Außerdem steht auf dem Blatt neben Text und Noten auch noch „Volksweise“. Dazu kommen handschriftliche Anmerkungen wie die, dass man den Anfang „kraftvoll“ und „siegessicher“ singen soll. Darunter steht, das Lied sei 1933 „Teil der deutschen Nationalhymne“ geworden. Das suggeriert doch, dass es immer noch Teil der Hymne ist. So etwas ist nicht nur fahrlässig, sondern unterirdisch! Mag sein, dass die Lehrerin all diese Ungeheuerlichkeiten mündlich eingeordnet hat.

Aber auf dem, was die Schüler mit nach Hause genommen haben, findet sich kein Hinweis darauf. Ich halte die Verbreitung dieses Blattes für Volksverhetzung, die ist im Strafgesetzbuch klar definiert. Deshalb will ich genau wissen, warum das Verfahren eingestellt wurde. Immerhin ist dieses verbotene Lied aus der Schule heraus in die Öffentlichkeit getragen worden. Die Blätter hätten wieder eingesammelt werden müssen!

Hans Erxleben, 68, ist Bezirksverordneter der Partei Die Linke in Treptow-Köpenick. Der promovierte Soziologe engagiert sich gegen Neonazis und für die Integration von Flüchtlingen.

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