zum Hauptinhalt
Für viele Jugendliche gehört Alkoholkonsum zur Freizeit dazu. 82 Prozent der 15-Jährigen haben schon Erfahrungen damit gemacht.

© dpa

Kontrollen in Berlin versagen: Jugendliche unter 18 kommen problemlos an Schnaps

Testaktionen der Bezirke zeigen: In Berlin können Jugendliche viel zu leicht Spirituosen kaufen. Experten fordern eine andere gesellschaftliche Haltung zu Alkohol.

Acht Liter Schnaps in drei Stunden Einkauf, davon können sich gleich mehrere Jugendliche ins Koma trinken. Eine solche Menge hätte eine jugendliche Testkäuferin des Ordnungsamtes an einem Tag mit nach Hause nehmen können. Ein Negativrekord, wie die Senatsverwaltung für Inneres mitteilt, aber beileibe kein Einzelfall. Für Jugendliche unter 18 Jahren ist es in Berlin ein Leichtes, an hochprozentigen Alkohol zu kommen. In Supermärkten und Spätis werden sie nur selten auf ihr Alter angesprochen.

In 59 Prozent der seit 2013 durchgeführten Testkäufe gab es überhaupt keine Kontrolle. In 13 Prozent der Fälle mussten die Jugendlichen zwar ihren Personalausweis vorzeigen, den Alkohol bekamen sie trotzdem. Vorschriftsgemäß lief es nur in 28 Prozent der Testkäufe ab. Bei Kontrollen des Ordnungsamtes in Tempelhof-Schöneberg bekamen die Jugendlichen, wie berichtet, sogar in 90 Prozent der Fälle anstandslos Schnaps ausgehändigt. Die Testkäufer sind Azubis im öffentlichen Dienst und mindestens 16 Jahre alt.

Nicht alle Bezirke führen Testkäufe durch. "Wir haben das bisher nicht gemacht, auch weil wir Zweifel daran hatten, ob es gut ist, Minderjährige dafür abzustellen“, sagt Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU). „Die Zahlen sind allerdings erschreckend und wir werden uns demnächst im Bezirksamt beraten, ob wir unsere Politik überdenken."

"Wir müssen gesellschaftlich eine andere Haltung zu Alkohol entwickeln

"Das ist ein realistisches Bild und deckt sich mit unseren Erfahrungen", sagt Kerstin Jüngling von der Fachstelle für Suchtprävention. Für mehr Kontrollen spricht sie sich aber nicht aus. "Wir müssen gesellschaftlich eine andere Haltung zu Alkohol und dem Jugendschutz entwickeln. Vielfach wird das zu locker gesehen oder die Verantwortung auf andere abgeschoben, nach dem Motto: Sollen sich doch die Eltern oder die Schulen kümmern."

Manchmal scheitert die Kontrolle an der Technik. Einige Supermarktkassen verfügen zwar über Scanner, die bei jugendschutzrelevanten Waren wie Alkohol oder Tabak piepsen. Dann wird dem Kassierer angezeigt, ab welchem Geburtsdatum verkauft werden darf. Bei Schnaps, der erst an 18-Jährige verkauft werden darf, leuchtet zum Beispiel "21.10.1998" auf. "Das führt bei den Kassierern öfter zu Verwirrung. Wenn das Geburtsdatum auf dem Ausweis zeitlich nach dem angezeigten liegt, denken manche, dass der Kunde älter ist", sagt Jüngling. In Spätkaufläden sei es teilweise so, dass die Verkäufer umsatzbezogen bezahlt werden und möglicherweise deshalb kaum auf den Jugendschutz achten.

Alkohol ist für Jugendliche besonders gefährlich, weil die Vernetzungsstrukturen im Gehirn noch im Aufbau sind und zudem eine hormonelle Umstellung stattfindet. "Alkohol ist ein Zellgift und trifft auf diese Prozesse", sagt Jüngling.

82 Prozent der 15-Jährigen haben bereits Erfahrungen mit Alkohol

Die Fachstelle Suchtprävention hat 2009 eine Studie zum Alkoholkonsum Berliner Jugendlicher vorgelegt. Danach haben bereits 82 Prozent der 15-Jährigen Erfahrungen mit Alkohol gemacht. Viele Kinder und Jugendliche trinken das erste Mal mit ihren Eltern, zum Beispiel bei Feiern. "Manche Eltern denken, dass es dann in einem geschützten Rahmen passiert. Aber das ist ein falsches Signal", sagt Jüngling. Eltern müssten stattdessen klare Grenzen setzen – und sie sollten auch mit ihren Kindern über Alkohol und die Gefahren sprechen. "Die Hälfte der von uns Befragten sagte, dass sie mit ihren Eltern nie über Alkohol sprechen. Und viele werten das als Desinteresse."

2014 wurden rund 270 Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis 19 Jahren wegen Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt. Rund 700 betrunkene Elf- bis 17-Jährige wurden im Jahr 2015 von der Polizei aufgegriffen. Das geht aus der Antwort der Senatsgesundheitsverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck hervor.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false