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Berliner Tierärzte berichten von Hunden, die an den Folgen des Verzehrs von Junkie-Kot leiden.

© dpa

Tierisches Drogenproblem: Junkie-Kot macht Berliner Hunde high

Kreislaufprobleme, Vergiftungserscheinungen, Herzrasen: In Berlin behandeln die Tierärzte immer wieder Hunde, die an drogenhaltigen Kot geraten sind. Vor allem der Treptower und der Görlitzer Park sind Risikogebiete beim Gassigang.

Bob taumelte, die Beine klappten ihm weg, sein Kopf zuckte, unkontrolliert wie bei einem Nervenleiden. Die Droge war zu stark. Bob, zehn Jahre alt, sank zu Boden. Man muss dazusagen: Bob ist ein Hund, ein Vollmischling, und am Dienstag vor zwei Wochen hatte er sich an Junkiekot gütlich getan. War beim Gassigang ins Gebüsch hineingekrochen und mit stinkender Schnauze wieder heraus. Die Folgen des unappetitlichen Snacks machten sich später bemerkbar. „Wir dachten, der stirbt uns weg“, erinnert sich Malte, Bobs Herrchen. Der 26-Jährige will seinen Nachnamen lieber nicht veröffentlicht wissen. Bei diesem ekligen Thema!

Als der Rüde in der Küche wegdämmerte, fuhren Malte und Freundin Judith in die Tierambulanz. „Bob war wie geflasht, Judith hat ihn wachgehalten.“ In der Notfallpraxis Bärenwiese in Charlottenburg angekommen, diagnostizierte der Arzt Jörn Bischof: Toxikologischer Stuhl im Darm, vermutlich Junkie-Kot. „Das war meine Verdachtsdiagnose anhand der Symptome: Kreislaufprobleme, Vergiftungserscheinungen, Herzrasen“, sagt der Tierarzt. Ein Brechmittel kam zu spät, dem Hund wurde eine Infusion gelegt. Bob stabilisierte sich. Aber er ist kein Einzelfall.

In Kreuzberg-Friedrichshain und Treptow-Köpenick behandeln die Tierärzte immer wieder Hunde, die an drogenhaltigen Kot geraten sind. Vor allem der Treptower und der Görlitzer Park, wo viel konsumiert und gedealt wird, sind Risikogebiete beim Gassigang. „Das häuft sich, das fällt schon auf“, sagt Bischof, in dessen Nachtschicht viele Akutfälle landen.

Auch Tierarzt Reinhold Sassnau, mit einer Praxis am Südstern, bestätigt den Vorgang nach dem Stuhlgang: „Das kommt vor, ja. Und auf die Diagnose muss man erstmal kommen.“ Die Tiere zitterten, taumelten, seien dehydriert. Meist sei das nicht gleich lebensbedrohlich, die meisten Mediziner geben dann den Tieren ein Beruhigungsmittel. Sassner sagt aber: „Ich empfehle den Haltern trotzdem, ihren Hunden das Kotessen abzutrainieren.“

Koprophagie, also das Fressen der eigenen oder der Exkremente von anderen Tieren, ist für Hunde nicht ungewöhnlich – kann allerdings böse enden. Die Kläffer empfinden Ausscheidungen als wohlriechend: Enthaltene Fettsäuren, die beim Verdauungsprozess entstehen, machen die Fäkalien attraktiv für die Hundenase. Vor allem der Dung von Pflanzenfressern wird gerne aufgenommen, aber auch der geruchsintensive Stuhl des Menschen lockt die Schnüffler offenbar an. Oft verliert sich die Angewohnheit ab einem gewissen Alter.

Bob ist das Malheur zum ersten Mal passiert, erzählt sein Herrchen Malte. Seitdem spaziert der Student, der in Kreuzberg wohnt, aufmerksamer durch die Parks im Stadtteil. „Im Görli liegt ja unglaublich viel rum – Reste, Knochen, Abfall. Da muss man ganz schön aufpassen.“ Die Veterinäraufsicht des zuständigen Ordnungsamtes konnte am Freitag keine Stellungnahme zur Problematik abgeben.

Und Drogenopfer Bob? Der erfuhr in jener Nacht die klassischen Nachwehen eines Trips. Noch in der Tierarztpraxis packte ihn Heißhunger, in Rekordtempo verschlang er getrocknete Sardellen und Leckerlis. „Dabei ist Bob eigentlich voll der Schisser und nimmt nie Futter vom Arzt an“, grinst Malte, der Halter. Am nächsten Tag ging es dem Mischling schon wieder besser. Seitdem ist er clean.

Moritz Herrmann

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