Berlin: JVA Tegel: Gefängnisleitung will Haft aufschieben lassen
Der Häftling in der JVA Tegel, der seit Dezember in einem besonders gesicherten Raum inhaftiert und mit einem Lederband so "fixiert" ist, dass er die Zellentür nicht erreichen kann, soll erneut psychiatrisch begutachtet werden. Dies teilte die Justizverwaltung am Freitag mit.
Der Häftling in der JVA Tegel, der seit Dezember in einem besonders gesicherten Raum inhaftiert und mit einem Lederband so "fixiert" ist, dass er die Zellentür nicht erreichen kann, soll erneut psychiatrisch begutachtet werden. Dies teilte die Justizverwaltung am Freitag mit. In einer vorigen Untersuchung hatte nach Angaben der Justiz ein externer Gutachter die Haftfähigkeit des Mannes, der immer wieder gegen die Zellentür getreten und gelärmt hatte, bestätigt und ihn "als lediglich fanatischen Vollzugsstörer", aber nicht psychisch krank bezeichnet. Außerdem hat die Anstaltsleitung jetzt den Antrag gestellt, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aufzuschieben. Darüber müsse nun die Staatsanwaltschaft entscheiden. Auch will die Justizverwaltung an die Menschenrechtsorganisationen amnesty international und die Humanistische Union herantreten, damit diese sich selber ein Bild von der Situation des Häftlings machen können.
Wie gestern berichtet, hatte die Gefangenenvertretung in der JVA schwere Vorwürfe gegen die Anstaltsleitung wegen der menschenunwürdigen Behandlung des Gefangenen erhoben. Der aus Somalia stammende 46-jährige Mann werde "wie ein Tier an einem Laufriemen festgekettet gehalten". Zudem hatten Gefangene Strafanzeige gegen fünf Justizbeamte erstattet, die den Mann nach einem Arztbesuch "mit brutalster körperlicher Gewalt" in seine Zelle hineingeprügelt haben sollen.
Justizsprecher Sascha Daue sagte gestern erneut, dass ein externer Arzt am Montag keinerlei Spuren von Misshandlung bei dem Mann festgestellt habe. Auch habe der Mann verneint, geschlagen worden zu sein. Der Häftling, dessen Haftzeit bis August diesen Jahres geht, verursachte nach Angaben der Justizverwaltung seit dem 22. November erheblichen Lärm, indem er über Stunden hinweg gegen die Zellentür trat. "Nach weiteren unerträglichen Ruhestörungen" sei er schließlich am Bett fixiert worden. Eine Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Charlottenburg sei erfolglos gewesen, so dass er wieder nach Tegel zurückgekehrt sei. Versuche, den Mann wieder in den normalen Vollzug zu integrieren, seien immer wieder gescheitert sagt Daue. Seit dem 21. Dezember ist er jetzt in einem rund 16 Quadratmeter großen Raum untergebracht. "Dort ist er nur noch so fixiert, dass er sich im Haftraum relativ frei bewegen kann, nur die Haftraumtür, die er zum Lärmen benutzt, nicht mehr erreichen kann", heißt es in einer Mitteilung der Justiz. Auch bewegliche Gegenstände, die etwa geworfen werden könnten, gibt es nicht in diesem Raum. Der Mann werde jeden Tag gefragt, ob er auf das Lärmen verzichten und in den normalen Vollzug zurückkehren wolle, sagte Daue. Bei einer früheren Begutachtung habe man auch untersucht, ob das Verhalten des Mannes auf Traumatisierungen, etwa durch eine Haft in Somalia, zurückzuführen ist.
Wie Daue weiter sagte, sind bei Störungen des Vollzugs nach dem Strafvollzugsgesetz verschiedene Sicherungsmaßnahmen bis zur Fesselung eines Gefangenen möglich. Diese könnten angeordnet werden, wenn andere Inhaftierte oder Wachpersonal bedroht oder attackiert wurden. Bestimmte Maßnahmen können auch zum Selbstschutz des Gefangenen ergriffen werden, wenn beispielsweise die Gefahr besteht, dass er sich selbst durch seine Taten verletzt oder Aggressionen der anderen Inhaftierten provoziert. Möglich sei es etwa, einen Gefangenen vorübergehend in eine Einzelzelle zu sperren. Manchmal reiche auch eine mündliche Verwarnung. In der JVA Tegel gibt es zehn besonders gesicherte Räume. Ein Fall wie der des Somaliers sei außerordentlich selten, sagte Daue: "Das ist ein Einzelfall."
In diesem Fall sieht Bernhard Weinschütz von der Fraktion Bündnis 90/Grüne im Abgeordnetenhaus die Verhältnismäßigkeit der Mittel bei der Inhaftierung nicht gewahrt. Er bezweifelt die Notwendigkeit einer permanenten Fesselung. Zumindest tagsüber müsse es dem Mann möglich sein, sich frei in seiner Zelle zu bewegen. Eine Lärmstörung während des Tages müsse die Anstaltsleitung hinnehmen. Weinschütz möchte im nächsten Rechtsausschuss thematisieren, wie man weiter mit solchen Gefangenen umgehen will.