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Kampf gegen Falschparker: Berliner Stadträtin will Kontrollpersonal ins Auto setzen – zum eigenen Schutz
Höhere Strafen, mehr Kontrollen, konsequentes Abschleppen: Im Abgeordnetenhaus wird diskutiert, wie Berlins Straßen sicherer werden könnten.
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Die Tempelhof-Schöneberger Stadträtin Saskia Ellenbeck (Grüne) würde die Kontrolle von Falschparkern so schnell wie möglich digitalisieren, um das Bezirksamtspersonal vor Pöbeleien und Bedrohungen durch Regelbrecher zu schützen. „Auch aus Gründen des Mitarbeiterschutzes bin ich für Scan-Cars“, sagte die sowohl für Straßenverkehr als auch fürs Ordnungsamt zuständige Stadträtin am Mittwoch im Berliner Abgeordnetenhaus.
Auch aus Effizienzgründen würde sie die Parkraumüberwachung von den bisherigen Fußstreifen auf Autos mit Kameras zur Kennzeichenerfassung umstellen: „Flächendeckende Kontrolldichte erreichen wir nur mit Digitalisierung“, sagte Ellenbeck. Der Bezirk würde sofort Scan-Cars anschaffen, wenn er dürfte.
Die Stadträtin war zu Gast auf einer Konferenz zur Verkehrssicherheit, zu der die Grünen-Fraktion am Mittwoch in den Preußischen Landtag geladen hatte. Begonnen hatte die Veranstaltung mit einem dramatischen Einspieler, bei dem ein Zähler auf den Bildschirmen ratterte bis zur 42, begleitet von Zitatfetzen aus den Unfallberichten zu jenen 42 Menschen, die allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres auf Berlins Straßen tödlich verunglückt sind – deutlich mehr als in den Vorjahren.
Ecken-Parker sind „ein Riesenproblem“
Nach einer Auftaktrunde wurde in Workshops unter anderem diskutiert, wie Verkehrsregeln durchgesetzt werden können. „Wir kommen substanziell nicht weiter“, stellte Ellenbeck mit Blick auf die Entwicklung des Unfallgeschehens in Berlin fest. Ihr Amt ist für den „ruhenden Verkehr“, also stehende Autos zuständig, während die Polizei den rollenden Verkehr überwachen soll. Das Zuparken von Ecken sei „ein Riesenproblem“, konstatierte Ellenbeck und beklagte die noch immer lächerlichen Strafen für dieses oft hochgefährliche Fehlverhalten.

© Stefan Jacobs
Der Bezirk versuche, möglichst konsequent abzuschleppen – was für die Falschparker 225 statt zehn Euro Kosten bedeute und im Gegensatz zum Knöllchen auch die Gefahr beseitige. Aber effektiv würden solche Kontrollen erst, wenn das Ordnungsamt gemeinsam mit dem Abschleppdienst auf Tour gehe: „Dann können wir in einer Stunde so viel schaffen wie sonst an einem Tag.“
Regelbruch, der nicht bestraft wird, lädt zur Wiederholung ein.
Kirstin Zeidler, Unfallforscherin
Kirstin Zeidler, die die renommierte Unfallforschung der Versicherer (UdV) leitet, sieht Defizite sowohl bei der Kontrolldichte als auch beim Strafmaß für Verstöße. In einer Studie habe die UdV den Zusammenhang zwischen konsequenterer Verkehrsüberwachung und höherer Regeltreue nachweisen können. Umgekehrt sei aus der Psychologie bekannt: „Regelbruch, der nicht bestraft wird, lädt zur Wiederholung ein.“ Vielmehr würden sogar regeltreue Verkehrsteilnehmer animiert, es Dränglern und Rasern nachzumachen, wenn die sich einen Vorteil verschaffen und nicht erwischt werden.
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Die Unfallforscherin unterstützt Ellenbecks konsequente Linie: Bei jedem fünften Unfall mit Beteiligung von Fußgängern oder Radfahrern spielten parkende Autos eine Rolle, weil sie beispielsweise die Sicht behinderten. In Hamburg sanken nach Angaben von Zeidler die Unfallzahlen, als mehr Blitzer angeschafft wurden. In der Vergleichsstadt München, wo nicht mehr kontrolliert worden sei, habe man dagegen keinen Rückgang festgestellt.
In der Berliner Innenstadt wiederum sei nach Einführung der polizeilichen Fahrradstaffel der Polizei deutlich regeltreuer gefahren und geparkt worden. Die Verbesserung sei sowohl beim Auto- als auch beim Radverkehr erkennbar gewesen.
Scharfe Kritik an der Innensenatorin
Die ehemalige Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) warf der SPD-Innensenatorin völliges Versagen beim Thema Verkehrssicherheit vor: „Ich habe noch nie gehört, dass Frau Spranger mehr Personal für die Bußgeldstelle gefordert hat.“ Stattdessen sei das Budget für die geplante Beschaffung neuer Blitzer gestrichen worden, obwohl die sich binnen eines Jahres amortisieren würden. Wie berichtet, verfallen jedes Jahr zigtausende Bußgeldbescheide, weil der Bußgeldstelle der Polizei Personal fehlt.
Aus dem Publikum wurde gefordert, eine Bagatellgrenze von beispielsweise 150 Euro einzuführen, bis zu der Bußgelder automatisch und ohne Widerspruchsmöglichkeit verhängt werden, um die Bürokratie zu verringern und den Kontrolldruck zu erhöhen.
UdV-Chefin Zeidler sprach sich dafür aus, „deutlich früher Punkte in Flensburg zu geben“. Das schrecke nicht nur notorische Regelbrecher ab, sondern sei auch sozial gerecht, weil der Verlust des Führerscheins die Menschen unabhängig von ihrem Portemonnaie gleichermaßen trifft.
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