
© Silvia Passow
Keine Angst vor dem Papiertiger: Mit Maren Wroblewski verlieren Anträge und Formulare ihren Schrecken
In unserer Serie zur Tagesspiegel-Weihnachtsaktion stellen wir Berliner Sozialprojekte vor und bitten um Spenden. Diesmal: der Verein Sophia mit Formularlotsin Maren Wroblewski.
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Anträge ausfüllen, Begründungen schreiben, Kindergeld oder Rente beantragen: All das wird irgendwann für jede und jeden mal nötig. So richtig Freude kommt da nur bei ganz wenigen Menschen auf.
Anders bei Maren Wroblewski: Sie füllt mit Begeisterung Anträge aus, tippt und schreibt, begründet oder widerspricht. Das macht sie nicht nur für sich selbst, sondern sie stellt ihre Leidenschaft für den Papiertiger ehrenamtlich als Formularlotsin auch anderen Menschen zur Verfügung.
Doch um Menschen im Umgang mit der Bürokratie zu helfen, braucht es technische Ausstattung. Mit den Spenden der Tagesspiegel-Leser möchte Wroblewski einen Laptop, einen Scanner und einen mobilen Drucker beschaffen.
Manchmal, erzählt sie, schicken ihr die Leute Fotos von Formularen auf ihr Handy, das sie für ihr Ehrenamt nutzt. „Darauf lässt sich das nicht gut lesen“, sagt Wroblewski. Dann schickt sie sich die Fotos auf ihr privates Handy, von dort per E-Mail auf den Computer zu Hause. Dort druckt sie dann auch das gewünschte Papier aus. Ein mühsamer Umweg, der sich mit technischer Ausstattung vermeiden ließe.
Übersicht im Behördendschungel
Wroblewski hat viele Jahre im Personalwesen gearbeitet. Sie kennt sich nicht nur mit Anträgen aus, sondern kennt auch die Abläufe in Behörden und Ämtern. Sie kann Amtsdeutsch übersetzen, findet Formulierungen, die ihr Gegenüber auch versteht.
Den Namen „Formularlotsin“, ersann sie selbst, denn genau das möchte sie anbieten: Orientierung im Behördendschungel. Das Wort „helfen“ mag sie in diesem Zusammenhang gar nicht. „Besser unterstützen oder begleiten“, sagt sie. Wroblewski füllt nämlich nicht nur Formulare aus. Sie gibt den Menschen auch Hinweise dazu, wo Nachweise erforderlich sind, was außerdem noch beantragt werden könnte.
Wer Unterstützung braucht, bekommt sie, eine Zielgruppe gibt es nicht. „Maren urteilt nicht über die Menschen“, sagt Eileen Seibt-Zudse vom Verein Sophia. Der Verein unterstützt Menschen, die durch Alter oder Krankheit beeinträchtigt sind, ebenso wie Menschen mit Behinderung.
Immer wieder wurde beim Verein gefragt, ob es nicht auch jemanden gibt, der beim Ausfüllen von Formularen zur Seite stehen könnte. Als Wroblewski mit genau diesem Angebot bei Sophia ankam, waren da nur offene Türen.

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Wroblewski teilt sich im Vereinsstützpunkt in Marzahn einen Laptop mit einem Sophia-Mitarbeiter. Es gibt aber noch weitere Orte, an denen die Formularlotsin tätig ist: im Nachbarschaftszentrum Amtshaus Buchholz, im Stadtteilzentrum Pankow, im Bürgerhaus Buch, im Stadtteilzentrum Weissensee und in der Alten Apotheke Heinersdorf.
An diesen Orten können Termine mit ihr vereinbart werden, nach Hause zu den Menschen fährt sie nicht. Die technische Ausstattung ist sehr verschieden. Nicht überall hat sie Zugang zu Computer und Drucker, dazu kommen die deutlich spürbaren Sparmaßnahmen bei den sozialen Einrichtungen. „Wenn zum Beispiel kein Druckerpapier gekauft werden kann“, fehle natürlich Wichtiges, sagt Wroblewski.
„Ich sehe oft, wenn ich die ausgefüllten Papiere nur über den Tisch reiche, in ratlose Gesichter. Deshalb lege ich immer alles gleich noch in den Briefumschlag. Dann muss der Brief nur noch zur Post gebracht werden“, sagt Wroblewski. Von ihrer Unterstützung profitieren Menschen jeglichen Alters. Sie selbst kam durch ihre schwangere Tochter auf die Idee. Unglaublich, wie viele Formulare werdende Eltern ausfüllen sollen, sagt die 63-Jährige. „Dabei sollten gerade frischgebackene Eltern ihre Zeit anders nutzen.“
Digitalisierung bringt manchen auch Nachteile
Die Menschen, die ihr zu ihr kommen, haben oft keinen Zugang zu Internet und Computer, Personen mit wenig Schreibkenntnissen sind dabei oder Nicht-Muttersprachler. Oder auch Leute, denen Anträge ausfüllen so gar nicht liegt. Menschen, deren Leben gerade aus den Fugen geraten ist und die sich durch Formulare überfordert fühlen.
Anmeldung zu Kita oder Schule sind oft nur noch mit QR-Code möglich. „Das kann nicht jeder, es verfügt auch nicht jeder über die technischen Voraussetzungen“, sagt Wroblewski. Sie unterstützt bei Bewerbungen, wie auch bei Widersprüchen. „Ich mache eigentlich alles außer Steuer, Miete und Telekommunikation“, fasst sie zusammen.
Die viel gewünschte Digitalisierung sei nicht für alle Menschen von Vorteil. „Wenn Dienstleistungen nur noch digital möglich sind, widerspricht das dem Gedanken der Inklusion“, sagt auch Seibt-Zudse.
Rund 40 Wochenstunden verbringt Wroblewski mit ihrem Ehrenamt. Und sie schustert beständig Geld dazu, zum Beispiel in die Gesprächsminuten für ihr Ehrenamtshandy. Dennoch ist sie glücklich, möchte gar nichts anderes machen. „Die Leute sind so dankbar. Dabei wissen sie gar nicht, dass sie mir Freude machen.“
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