Berlin: Keine Zeit für Smalltalk
Die Szene der Berliner Inline-Skater ist groß – doch der Marathon war vor allem etwas für die Profis auf Rollen
Stephan Noske hatte keine Chance. An der Ecke Rheinbabenallee/Hohenzollerndamm ging er zu Boden. Er hat schon den Odercup der Inlineskater gewonnen, er wurde Dritter bei der Deutschen Meisterschaft im Doppelmarathon, er steht schon ziemlich sicher auf Inlineskates, aber wenn zehn Zentimeter vor ihm einer auf den Asphalt knallt, als Teil eines Massensturzes, dann kann sich auch der 30-jährige Noske nicht mehr auf den Rollen halten. Das Ergebnis: eine aufgeschürfte Hand, ein blauer Fleck am Bein. Auch deshalb verfehlte der Diplom-Informatiker aus Steglitz gestern beim Marathon der Inlineskater seine Bestzeit. Trotzdem: Er lag nicht allzu weit hinter dem Sieger Roger Schneider aus Zürich. Immerhin fährt Noske fürs halbprofessionelle vera-Skateteam Berlin.
Noske gehört damit zu den 50 bis 80 Spitzenskatern in der Stadt. Die Masse gruppiert sich teilweise weit dahinter ein. „Die Skaterszene in Berlin ist groß “, sagt Noske. „Aber viele fahren nur bei der Blade Night. Da ist es ruhiger.“ So sehen es auch Frank und Annette aus Charlottenburg. Sie fahren für das x-speedskating-Team des SC Charlottenburg. Sie landeten gestern ziemlich weit vorne, aber sie nehmen Skating auch ziemlich ernst. „Bei der Blade Night dagegen kann man Smalltalk halten und muss sich nicht verausgaben“, sagt die 36-Jährige Annette aus Charlottenburg.
Wie also ist die Skaterszene in der Stadt? Fest steht: Sie teilt sich massiv in Freizeitläufer und leistungsorientierte Skater, und zudem ist der Boom vorbei. Besser gesagt: Er hat sich auf hohem Niveau eingependelt. Stephan Uphues ist verantwortlich fürs Inlineskating beim Berlin-Marathon, er beobachtet die Szene schon lange. Und Uphues sagt: „Nur fünf bis zehn Prozent der Leute, die bei den Blade Nights starten, treten auch beim Berlin-Marathon an.“ Uphues hätte gerne mehr von den Freizeitläufern beim Marathon, er träumt von 10 000 Skatern – derzeit illusorisch. Jahrelang stiegen die Teilnehmerzahlen an, in diesem Jahr gingen sie erstmals zurück. 9600 Skater liefen 2003, in diesem Jahr meldeten nur 8190. Das liegt daran, dass der Boom vorbei ist, aber auch daran, dass das Rennen jetzt schon um 10 Uhr beginnt, sagt Uphues. „Die Hersteller der Inlineskater klagen ja über dramatische Umsatzeinbrüche.“ Er hatte 1999 das x-speedskating-Team gegründet, in kurzer Zeit registrierte er 200 Mitglieder. Dann verflachte der Anstieg. Jetzt sind es rund 250.
Aber auch bei den Blade Nights, hat Uphues festgestellt, haben sich die Teilnehmerzahlen auf hohem Niveau stabilisiert. Bei gutem Wetter kreisen rund 10 000 Menschen jeden Sonntagabend ums Brandenburger Tor, wenn’s kälter wird, sind es rund 4000. Aber die Charlottenburger Frank und Annette waren in diesem Jahr noch nie dabei. Zu anspruchslos, diese Ausflüge auf Rollen. Wenn Ivan Todorovic aus Wilmersdorf das auch so empfinden würde, dann, ja dann würde der frühere Spitzen-Tennisspieler von Blau-Weiß vielleicht noch fahren. Aber für Todorovic sind Blade Nights zu aggressiv geworden: „Da fahren viele Bekloppte mit. Die sehen einen als Konkurrenz. Wenn man überholen will, schubsen sie einen sogar noch weg.“