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Berlin: Kinder auf Raubzug: 83-Jährige überfallen und verletzt

Die Jüngsten waren erst zehn. Sie wollten der Rentnerin die Handtasche stehlen. Die Brutalität der kleinen Täter nimmt zu, sagt die Jugendhilfe

Die Räuber waren zehn und zwölf Jahre alt. Am Gartenplatz in Wedding lungerten sie herum mit einigen anderen Kindern. Als die 83-Jährige Seniorin den Platz überquerte, schlichen sich ein Brüderpaar und ein zehnjähriges Mädchen heran. Der Zwölfjährige war es, der die Handtasche an sich riss. Doch die Rentnerin hielt den Henkel starr vor Angst und Wut fest, wollte sie nicht loslassen. Ihr Unglück: Der Junge hatte Kraft, sie stürzte aufs Pflaster und brach sich dabei die Kniescheibe. Die 10 und 12 Jahre alten Brüder und ein zehnjähriges Mädchen aus der Nachbarschaft rannten weg. Das Ganze geschah um 15.15 Uhr am Mittwoch, die alte Frau kam mit der schweren Fraktur ins Krankenhaus und wird lange verletzt sein.

Die Kinder wurden schnell geschnappt. Als die Polizei später einige herumstehende Kinder befragte, fielen die drei auf, weil sie so präzise Auskunft geben konnten. Als die Beamten nachhakten, verplapperte sich das Trio – alles Deutsche – schnell. Schließlich gaben die Kinder zu, die Tat selbst verübt zu haben. Hintergrund sei wohl „kindliches Imponiergehabe“, dem zehnjährigen Mädchen sollte gezeigt werden, wie stark und mutig man sei. Die ganz in der Nähe wohnenden Kinder sind dem Jugendamt bekannt, nicht jedoch der Polizei. Belangt werden können die Kinder nicht, denn sie sind unter 14. Sie wurden bei den Eltern abgeliefert.

Die Eltern sind es, die aus Sicht der Experten, als einzige gegensteuern können, wenn ihre Kinder kriminell werden – und zwar mit Erziehung. Eine Absenkung der Altersgrenze von 14 auf 12 Jahren helfe nicht, sagte Christine Burck, die Jugendexpertin der Berliner Polizei. Sinnvoll seien geschlossene Heime „für die erziehungsresistenten Problemfälle“. Doch geschlossene Heime wurden in Berlin vor zehn Jahren abgeschafft. Derzeit bekommen Intensivtäter im Kindesalter eine Betreuung im Projekt „Fallschirm“ der Jugendhilfe. Der Fallschirm hilft den Kindern vor allem bei der Freizeitgestaltung – also kein Herumlungern auf der Straße – und passt auf, dass sie zur Schule gehen. Die Kinder wohnen weiter bei ihren Eltern. Derzeit betreut der Fallschirm 12 Kinder – vom Autodieb bis zum Brandstifter, wie die Leiterin Anne Burgthaler sagte. Von den 90 in fünf Jahren betreuten Kindern waren 85 ausländische. Erschreckend sei, dass die Kinder in den letzten Jahren immer brutaler vorgingen, sagte Burgthaler.

Das Problem sei, so heißt es bei der Polizei, dass Kinder so gut wie nie bei ihrer ersten Tat geschnappt werden. Sie kommen auf den Geschmack und die kriminelle Karriere startet. Manche werden erst mit vierzehn Jahren wieder vorsichtiger: „Viele kennen die Altersgrenze ganz genau“, sagt Hauptkommissarin Burck.

Die Zahl der Kinder, die bei Raubzügen erwischt wurden, ist in den vergangenen drei Jahren um zehn Prozent gesunken: von 364 Kindern (1999) auf 329 im Jahr 2002. „Es gibt schlicht weniger Kinder“, lautet die verblüffende Begründung der Polizei. Die Zahl der Acht- bis Vierzehnjährigen sank insgesamt in diesen drei Jahren um über fünfzehn Prozent – es gibt demnach also nun einen größeren Anteil an Räubern im Kindesalter.

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