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"Jona's Haus"

© ddp

Kinderarmut: "Wir haben einfach die Tür aufgemacht"

Ein Mediziner-Ehepaar engagiert sich gegen die Armut in der Stadt. "Jona’s Haus" in Staaken steht seit einem Jahr für Kinder offen - hier bekommen sie Mittagessen, können ihre Hausaufgaben machen und draußen spielen.

„Was gibt’s denn heute“, fragt ein zehnjähriger Junge, als er in das Haus gerannt kommt. „Iiih ... Fisch.“ Es ist 14 Uhr, Schulschluss: Doch in „Jona’s Haus“ in Staaken fängt der Tag jetzt erst richtig an. „So um die 25 Kinder haben wir hier täglich, oft auch deutlich mehr“, sagt die 18-jährige Corrie aus Sachsen, die in „Jona’s Haus“ ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert. Ab 13.30 Uhr gibt es Mittagessen, heute stehen Kartoffeln mit Spinat, Fisch und heller Soße auf dem Speiseplan. Die Zeit nach dem Essen gestalten die Kinder individuell. Einige haben erst einmal ihre Hausaufgaben zu erledigen, und Corrie sowie die 20-jährige Conny, ebenfalls FSJlerin, helfen. Danach stürmen die Kinder nach draußen auf den Hof zum Fußballspielen oder Klettern. Samstags ist außerdem die Zweiradwerkstatt geöffnet, in der die Fahrräder der Kinder auf Sicherheit geprüft und repariert werden.

Rund zwölf Prozent der Privathaushalte im Spandauer Stadtteil Staaken sind der Stiftung Jona zufolge von Armut betroffen. Darunter leiden besonders Kinder. Im Haus können sie Tischtennis oder Billard spielen, sich ausruhen oder zum Lesen in die Sofaecke zurückziehen. Nachmittags nutzen viele die Gelegenheit zum Töpfern oder Basteln. Bald, nach dem vollständigen Ausbau der oberen Geschosse, sollen zum bestehenden Computer- und Theaterraum auch ein Musikzimmer, eine Kleiderkammer, eine kleine Bibliothek, ein Raum der Stille und ein separates Hausaufgabenzimmer hinzukommen.

Jeden Mittwoch, 17 Uhr, gibt es etwas Besonderes: die „Jona’s-Herz-Geschichten“. Spielend werden hier biblische Werte – wie „Jeder Mensch ist wertvoll“ – und ethische Normen vermittelt. Dies sei besonders wichtig, eigene Wertschätzung sei für die Kinder durchaus keine Selbstverständlichkeit, erläutert die Gründerin der Stiftung, Angelika Bier. „Einige der Mädchen sind schon mit neun oder zehn magersüchtig. Sie bestrafen sich damit, weil sie denken, nicht viel wert zu sein.“ Um Kindern zu helfen, stecken die Charité-Ärzte Jürgen und Angelika Bier viel Zeit und privates Vermögen in „Jona’s-Haus“. „Mein Mann und ich sind gläubige Christen. Wir haben so viel geschenkt bekommen im Leben, dass wir etwas zurückgeben möchten“, sagt Angelika Bier. Als die eigenen Kinder aus dem Haus waren, machte sich das Ehepaar auf die Suche nach einem geeigneten Projekt. „Immer wieder sind wir an dem alten Haus in der Schulstraße in Staaken vorbeigekommen“, erinnert sich die Ärztin. Vor gut einem Jahr haben sie das leer stehende, ehemalige Jugendclub-Haus übernommen. Der Name Jona soll an den Propheten erinnern, der von einem Wal gerettet wurde und in dessen Bauch überlebte. Nun soll das Jona-Haus die Kinder aufnehmen.

„Am 4. September 2006 haben wir dann einfach die Tür aufgemacht“, sagt Bier. Die Neugier lockte die Kinder in das Backsteinhaus mit seinen farbenfrohen Wänden und hohen Fenstern. Hier fühlen sie sich offenkundig wohl. Helle Holzregale und Fotos zieren die bunten Wände, überall hängen von Kinderhand geschriebene Plakate mit christlichen Texten. Die zehnjährige Jette findet das prima. Ihr gefällt die Idee des Hauses. „Hier habe ich immer eine Beschäftigung“, sagt sie. Der 18-jährige Alexander ist zwar nicht religiös, „trotzdem fühle ich mich hier wohl und habe viele neue Freundschaften geknüpft.“

Dass Angelika und Jürgen Bier ihre meiste Freizeit und ihren Urlaub im Jona-Haus verbringen, stört die Mediziner nicht. „Es ist wunderbar, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen und bei ihrer Entwicklung zuzusehen.“ Kinderarmut dürfe nicht ignoriert werden. „Wir wollen, können und müssen helfen.“

Information: www.Stiftung-jona.de

Bianca Kirchner

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