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Berlin: Kitty, Knut und Karaoke

Der kleine Eisbär wird umfassend besungen – und hat neue Besuchszeiten

Stand:

Die Lage rund ums Eisbärengehege wird zunehmend unübersichtlich. Gesichert ist, dass Haribo ab sofort Schaumzucker- Eisbären namens „Knuddel-Knut’sch“ verkauft. Fünf Cent das Stück; wer gleich die 150er Großpackung nimmt, spendet damit auch zehn Cent für den Zoo.

Klar ist auch, dass Knut ab Sonnabend einen neuen Stundenplan bekommt: Dann soll er von 11 bis 12 und von 14 bis 15 Uhr zu sehen sein, wahrscheinlich auf der publikumsfreundlichen Braunbärenanlage. Mit der Mittagsruhe will der Zoo verhindern, dass Knut unter den Augen seiner zahlenden Fans einnickt wie bereits gelegentlich geschehen.

Außerdem heizt Knut, wenn dieses Bild erlaubt ist, der Musikbranche ein. Fast im Stundentakt treffen Mitteilungen über neues Eisbärenliedgut ein. Gestern Nachmittag versammelten sich in den Hansa-Tonstudios nahe dem Potsdamer Platz rund 30 Journalisten zur Premiere von „Knut, der kleine Eisbär“, gesungen von der neunjährigen Kitty aus Köpenick und klanglich etwa wie Schnappi reloaded. Kitty stellt sich also wie von den Kameraleuten gewünscht („Können wir mal ’ne Singsituation machen?“) vor ein Mikro, hält sich an einem Plüschbären fest und lächelt tapfer ins Blitzlicht-Unwetter. „Das arme Kind“ murmelt ein Fotograf zwischen zwei Feuerstößen. Anschließend baut der Studiochef „mal noch ’ne Interviewsituation“ und setzt Kitty auf ein branchentypisch knöcheltiefes Sofa. Neben ihr fällt ein Werbeplakat von der Pinnwand, was der Situation völlig angemessen ist, aber niemanden stört. Kitty berichtet, dass sie noch keine Zeit zum Knutbesuch hatte, „weil ich immer in der Schule war“. Ihr Produzent, der bisher nur der Freund ihrer Großcousine war, fügt hinzu, „dass der Zoo voll hinter dem Song“ und ein Rendezvous mit Knut kurz bevor stehe. Außerdem sei noch keines seiner Projekte so gut gestartet wie die Eisbärennummer. Auf einem Klavier stapeln sich von Kitty signierte CDs mit fünf Versionen des Liedes, darunter „Dance Mix“ und „Original Internetversion“. Mit Reimen wie „Knut, du bist ein Kuschelbär / du wirst immer putzigär“ und publizistischer Unterstützung durch „Bild“, RTL und Großflächenplakate wird die Interpretin bald auch die kälteste Polkappe zum Schmelzen bringen.

Doch anders als Knut schläft die Konkurrenz nicht: Frank Zander hatte ja bereits ein Comeback mit „Hier kommt Knut“. Und seit Mittwoch – und damit zwei Tage vor dem Kittyknutverkaufsstart – ist die deutsch-schweizerische Koproduktion „Knut ist gut!“ erhältlich, und zwar als Radiomix, Elektropop-Remix und Karaoke-Version. Bei Textzeilen wie „Zum Frühstück krieg ich Milchbrei und Lebertran, als Eisbärbaby brauch ich das, ich hab noch keinen Zahn“ hätte sich auch eine Rap-Version angeboten. Die fehlt noch, aber dafür singt laut Vorabmeldung der Plattenfirma hier der Eisbär noch selbst, und ein Teil des Erlöses kommt ebenfalls dem Zoo zugute. Beim Internethändler Amazon ist ferner zu erfahren, dass Käufer dieser CD außerdem gern „Bravo Hits 56“ ordern.

War’s das? Nein. Soeben erreicht uns die Nachricht, dass Radio Teddy ab sofort in jeder Stunde ein Eisbären-Lied spielt und die Hörer bis Karfreitag über ihren Lieblingssong abstimmen können. Wer sich schon für die Zeit wappnen will, wenn die Ohren vom Eisbärengesang tranig sind und Knut ein bissiges Raubtier ist, also ca. ab Herbst, wird ebenfalls bei Amazon fündig: Tret-Abfalleimer „Knut“, Edelstahl, fünf Liter, versandfertig in sieben Tagen.

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