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Berlin: Klaus Clausnitzer im Interview: "Bis Jahresende 15 000 Arbeitslose weniger"

Klaus Clausnitzer leitet seit 1996 das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg. 1968 begann der studierte Psychologe seine Tätigkeit für die Bundesanstalt für Arbeit in Baden-Württemberg.

Klaus Clausnitzer leitet seit 1996 das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg. 1968 begann der studierte Psychologe seine Tätigkeit für die Bundesanstalt für Arbeit in Baden-Württemberg.

In der Statistik für das vergangene Jahr wird die Zahl der Arbeitslosen in Berlin um gut 3000 auf 265 000 im Durchschnitt zurückgehen. Derzeit gibt es 255 000 Arbeitslose in der Stadt. Kann man damit zufrieden sein?

Nein, natürlich nicht. Aber so ist leider einfach die Situation. Wir sind auf dem richtigen Weg. Im Jahr zuvor hatte es einen Rückgang um 2000 gegeben. Lange sah es in Berlin ja ganz anders aus. Für dieses Jahr hoffe ich, unter eine Zahl von 250 000 im Jahresschnitt zu kommen. Das würde einen Rückgang um 15 000 Arbeitslose bedeuten.

Aber fehlen nicht noch die wirtschaftlichen Impulse...

Die Entwicklung hat bisher natürlich hauptsächlich demographische Gründe. Aber ein Stück weit macht sich auch der wirtschaftliche Aufschwung bemerkbar. Und in manchen Teilbereichen - besonders auf dem Dienstleistungssektor - bekommen wir mehr Jobs, als auf der anderen Seite - zum Beispiel beim Bau - wegfallen. Es melden sich von Jahr zu Jahr weniger Leute erneut arbeitslos. Allerdings sind wir in der Region noch nicht mit den Problemen am Ende.

Wagen Sie eine Prognose für das laufende Jahr?

Es ist trotzdem ein positiver Blick in die Zukunft, weil die Arbeitslosigkeit weiter abnehmen wird. Wir machen hier gebündelt auf zehn Jahren durch, was woanders 40, 50 Jahre gedauert hat. Die Entwicklung in den Ballungszentren in Westdeutschland hat vom Krieg bis jetzt gedauert. Wir haben 1990 angefangen, und in zehn Jahren sind wir doch schon verdammt weit gekommen.

In den süddeutschen Bundesländern fehlen inzwischen in einigen Branchen Arbeitskräfte. Gibt es da Chancen für Berliner?

In diesem Jahr haben wir gezielt angefangen, dorthin zu vermitteln. Bisher waren es 600 Menschen aus Berlin und Brandenburg. Das ist noch keine Größenordnung, deretwegen Politiker graue Haare bekommen müssen, auch wenn schon andere Stimmen laut geworden sind. Da blutet eine Landschaft noch nicht aus. Für die Menschen aber ist es eine Chance, woanders wieder eine Perspektive auf Dauer zu bekommen. Das ist mehr als ein Jahr ABM. Das wollen wir künftig forcieren. Wir können das unterstützen, indem wir bei den Reise- oder Unzugskosten oder anderem helfen.

Kann man bei diesen Zahlen denn schon von einem Trend sprechen?

Nein, überhaupt nicht. Aber wir vereinbaren jetzt mit den Landesarbeitsämtern in Bayern, Baden-Württemberg und in Hessen, die Vermittlung zu institutionalisieren. Es geht doch nicht, dass wir mit Gewalt Arbeitskräfte zusätzlich in dieses Land holen, wenn es in diesem Land immer noch dreieinhalb Millionen Arbeitslose gibt. Wir können aber nur Hilfe anbieten. Es liegt an den Menschen. Man kann sie nicht zwingen.

Hängt die Mobilität auch von der Qualifizierung ab?

Je qualifizierter der Arbeitnehmer, desto leichter tut er sich. Vielleicht wissen viele Menschen gar nicht, dass in einigen Bundesländern die Arbeitsmöglichkeiten besser sind. In Bayern liegt die Arbeitslosenquote bei 4,8 Prozent, in Baden-Württemberg bei 4,9 Prozent. Das sind gut 10 Prozentpunkte weniger als bei uns. Wir haben derzeit 15,5 Prozent. Wenn ich mit meinen Landesarbeitsamtskollegen zusammensitze, dann reden wir von verschiedenen Welten.

Gibt es Möglichkeiten, die Bereitschaft der Menschen zur Mobilität zu forcieren?

Wer dort nicht arbeiten will, der muss auch nicht. Es gibt die ganz schlichte Vorschrift, dass eine Arbeitsstätte, die in eineinviertel Stunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist, akzeptabel ist.

Wie viele Leute hoffen Sie, in diesem Jahr nach Süddeutschland vermitteln zu können?

Wir möchten probieren, ein paar tausend Menschen dorthin zu vermitteln. Natürlich wäre es auch toll, wenn Arbeitgeber hierher kämen. Hier haben wir qualifizierte Arbeitnehmer, die man woanders nicht mehr findet. Das ist unser bester Standortvorteil.

Sind die Arbeitnehmer denn gut ausgebildet?

Es gibt natürlich auch Unqualifizierte, Das ist gerade in Berlin ein Problem. 44 Prozent der Arbeitslosen sind beruflich nicht qualifiziert. Aber andersherum: 56 Prozent der Arbeitslosen sind beruflich qualifiziert. Außerdem haben wir über die Arbeitsmarktpolitik genügend Geld zur Verfügung, um die Leute passgenau für bestimmte Branchen zu qualifizieren, so dass der Arbeitgeber das vorfindet, was er braucht. Wir müssen das nur rechtzeitig wissen. Wenn so eine Weiterbildung ein Jahr dauert, dann muss er uns das eben ein Jahr vorher sagen. In der IT-Branche haben wir im vergangenen Jahr 200 Millionen Mark für Weiterbildung auf mittlerem Niveau ausgegeben. Und die Leute werden wir los. Die finden hier einen Job. In diesem Jahr werden wir noch mehr auf berufliche Qualifizierung von Arbeitslosen setzen. Zwar ist ABM für bestimmte Personenkreise unverzichtbar, aber für die Mehrzahl der Arbeitslosen ist Qualifizierung angesagt.

A propos IT-Branche. War die Green Card wichtig für Berlin?

Sie war wichtig für Deutschland. Erstmals wurde ganz anders über Arbeitskräftebedarf und -Bedarfsdeckung in Deutschland diskutiert. Man geht offener mit dem Problem um. Das ist auch wichtig in Hinblick auf die demographische Entwicklung in Deutschland. Durch die Green Card ist etwas in Bewegung gekommen bei den Universitäten und bei den jungen Menschen, die sich wieder für diese Branche entscheiden. In Deutschland haben wir vor zehn Jahren ein wenig die Entwicklung verpasst und verschlafen.

Die Green Card für die IT-Spezialisten hat auch Begehrlichkeiten in anderen Branchen hervorgerufen. Können Sie entsprechende Forderungen nachvollziehen?

Nein. Und ich will das an einem Beispiel erklären. Vor kurzem habe ich mich mit den in der Region angesiedelten Firmen, die Turbinen und Flugzeugteile produzieren, unterhalten. Die haben mir einen Bedarf von 1000 Arbeitskräften genannt. Aber von diesen Stellen waren gerade 40 bei den Arbeitsämtern gemeldet. Dabei kostet es sie doch nichts, uns auf die Suche zu schicken.

Warum melden die Unternehmen die Stellen nicht bei den Arbeitsämtern?

Das sind einfach Vorurteile. Es hapert vielfach ganz schlicht an Informationen. In einer Region, in der man 450 000 Arbeitslose hat, da findet man aber natürlich unter diesen Arbeitslosen auch den Elektriker, den Werkzeugmacher, den Druckvorlagenhersteller oder wen man sonst braucht. Dann ist er zwar vielleicht nicht zwischen 25 und 32 Jahren, sondern vielleicht 35 oder 37.

Klaus Clausnitzer leitet seit 1996 das Landesarbei

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