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Das lachende Gesicht des Komödianten Henry Bender, der in der Rolle des Dienstmannes Max Pinne 1909 eine Schirmmütze trägt.

© Berliner Leben

Fraktur! Berlin-Bilder aus der Kaiserzeit: Knallcharge in Uniform

Der Komödiant Henry Bender zählt zu den beliebtesten Revuestars der Kaiserzeit. Berühmt wurde er 1908 mit seinem "Schutzmannlied", das der Nachwelt als früher Tonfilm erhalten blieb.

Besinnlich haben wir das greise Jahr zu Grabe getragen, das neue wollen wir frohsinnig beginnen. Am besten mit einer Lachnummer wie Henry Bender. Unser Bild zeigt den Komiker im Dezember 1909 als „Dienstmann Max Pinne“ im Apollo-Theater. Geboren wird der Schauspieler mit dem bürgerlichen Namen Harry Bandheimer 1867 als Sohn eines Berliner Gastwirts, der ihn in einem Geschäft für Tülle und Spitzen in die Lehre schickt. Aber der Junge macht lieber Witze und singt selbst geschriebene Couplets in den Nummernrevuen des Ostend-Theaters in Friedrichshain. Es ist eines der vielen „Zehn-Pfennig-Theater“, in denen sich die einfachen Leute amüsieren. Der Humor ist von der Straße, und Harry, später Henry, bringt dazu Berliner Mutterwitz und Schnauze mit.

Am liebsten lacht der Untertan über komische Typen in Uniform

Der Vater hält den Tingeltangel jedoch nicht für einen Beruf und schickt den Jungen in die USA, wo er seine Lehre im Textilgeschäft beenden soll. Aber der Bengel büxt aus, schließt sich als 19-Jähriger einer Wanderbühne an. Nach Stationen in London und Paris, wo er im Varietétheater Folies Bergère auftritt, kehrt er zurück nach Berlin. Henry Bender wird zu einem gefeierten Komödianten, vor allem in den großen Musikrevuen des „Metropoltheaters“ ist er ein zugkräftiger Gewichtheber noch für die trägsten Mundwinkel. Seine Paraderolle: die Knallcharge in Uniform. Darüber lacht der kaiserliche Untertan am liebsten – der berühmteste Auftritt dieser Art war der des Schustergesellen Wilhelm Voigt, der sich am 16. Oktober 1906 als „Hauptmann von Köpenick“ Befehlsgewalt über ein städtisches Vermögen von 3557,45 Mark erschwindelt – ein Banausenstück, das, „so unsagbar komisch, so unbeschreiblich lächerlich“, zugleich in „grotesk-entsetzlicher Art“ die autoritätsgläubige Moral des Kaiserreichs offenbart: „Umkleide dich in Preußen-Deutschland mit einer Uniform, und du bist allmächtig“ („Berliner Volks-Zeitung“ am selben Tag).

Als komischer Uniformträger wird auch Henry Bender über die Grenzen Berlins bekannt, vor allem dank des Kinos. Ab 1905 ist der Schauspieler in hunderten Stummfilmen zu sehen. Besonders berühmt macht ihn das Schutzmann-Lied aus der Revue „Donnerwetter – tadellos!“. Zu der Musik von Paul Lincke, der später mit dem berühmten Marsch „Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft“ eine Art Stadthymne komponieren wird, steht Henry Bender als Wachtmeister mit Pickelhaube vor einem Polizeiballett und singt: „Der Schutzmann heutzutag’ / hat manche Müh und Plag’, / hat kolossal zu tun, / darf Tag und Nacht nicht ruh’n.“ In der zweiten Strophe dient er den Damen, die sich im Verkehrsgewühl nicht über die Straße trauen, seine Hilfe an – und die bemühten Reime rettet das Frivole: „Dem zarten Wesen reicht galant / als Kavalier er seine Hand. / Sie wackeln seelenfroh / mit ihrem Po- Po- Po-, / mit ihrem Polizisten stramm / als schöne Leute über’n Damm.“

Die „Deutsche Mutoskop & Biograph GmbH“ produziert 1908 von der Nummer eine „Tonbild“-Aufnahme, bei der zur Projektion des bewegten Bildes synchron eine Grammophonplatte abgespielt wird – ein einzigartiges Zeugnis des Berliner Musiktheaters zur Kaiserzeit. Eine digitale Rekonstruktion dieser Frühform des Tonfilms, der sich erst rund 20 Jahre später durchsetzen wird, ist im Internet zu sehen.

Nach seiner Filmkarriere wird Henry Bender übrigens wie sein Vater Gastwirt. 1929 eröffnet in der Bleibtreustraße „Bei Henry Bender“. Es bleibt auch nach seinem Tod 1933 ein beliebter Künstlertreff.

Das Schutzmann-Lied finden Sie bei Youtube unter diesem Link. Alle Beiträge unserer Serie mit Berlin-Bildern aus der Kaiserzeit unter www.tagesspiegel.de/fraktur

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