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Berlin: Koalition in Berlin: "Wir treten nach bestandener Probezeit ab" - Wolfgang Wieland im Interview

Der grüne Justizsenator Wolfgang Wieland muss nach einem halben Jahr seinen Sessel für eine SPD-Nachfolgerin räumen. Herr Wieland, werden Sie morgen im Abgeordnetenhaus Klaus Wowereit mitwählen?

Der grüne Justizsenator Wolfgang Wieland muss nach einem halben Jahr seinen Sessel für eine SPD-Nachfolgerin räumen.

Herr Wieland, werden Sie morgen im Abgeordnetenhaus Klaus Wowereit mitwählen? Es wäre ja nicht das erste Mal.

Klaus Wowereit wird nicht erwarten, dass er die Stimmen der Opposition erhält. Und ab Donnerstag bin ich wieder Opposition.

Zeitweilig hat es bei den Grünen Überlegungen gegeben, in ein rot-rotes Bündnis hineinzuschlüpfen. Was unterscheidet denn jetzt Rot-Rot von Rot-Grün?

Zum Thema Online Spezial: Rot-Rot in Berlin Kurzporträt: Der neue Senat Die Weigerung, in ein solches Bündnis zu gehen, habe ich schon früh erklärt: keine grüne Girlande an einem rot-roten Block. Es gab dennoch etliche Stimmen, auch aus der Sozialdemokratie, die uns gern an Bord gehabt hätten. Das hat uns geschmeichelt. Aber es war nicht realistisch. Ob SPD und PDS besser regieren werden, ob sie farbiger sein werden, da sind Zweifel angebracht, und zwar jetzt schon. Fast möchte man bei der dilletantischen Personalsuche aufhören rufen, bevor die Veranstaltung überhaupt begonnen hat.

Und von der Sache her?

Die rot-rote Koalitionsvereinbarung ist zu 95 Prozent von uns mitformuliert worden. Wir können deshalb nicht sagen, dies sei eine schlechte Vereinbarung. Sie ist in den Teilen Justiz und Inneres sogar hervorragend. Mehr bürgerrechtlich orientiert, als ich es je in einer Koalitionsvereinbarung in einem anderen Bundesland gelesen habe. Was aber fehlt, ist die Philosophie des Regierens: Welche Vision für die Stadt verbindet diese Koalition? Es fehlt die Aussage, wie Berlin in zehn Jahren aussehen soll.

Ein halbes Jahr war der Senat rot-grün; wie lautet Ihr Fazit?

Dieser Senat hat sich zurecht als Übergangsregierung verstanden. Wir wollten schnelle Neuwahlen und eine neue politische Legitimation. Außerdem wollten wir den Bankenskandal straf- und zivilrechtlich aufarbeiten und versuchen, die Bankgesellschaft neu zu ordnen und sie zu verkaufen. Eine weitere Aufgabe von Rot-Grün war die Haushaltskonsolidierung, wir wollten eine Trendwende in der politischen Mentalität der Stadt herbeiführen. Manches ist erreicht worden. Manches wurde nicht erreicht - zum Beispiel der Verkauf der Bankgesellschaft. Immerhin wurde in der Banken-Holding ein personelles Revirement vollzogen und es gibt Planungen, die der Bank das Überleben ermöglichen. Leider mit der Folge, dass weitere Garantieerklärungen durch den Senat abgegeben werden mussten. Diese zusätzlichen Milliardenrisiken fallen aber nicht in die Verantwortung des Übergangssenats; das ist ein Erbe der Großen Koalition.

Wie ist der Stand der Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der Bankenkrise?

Die Aufarbeitung der Affäre hat enorme Fortschritte gemacht. Die Sonderermittlungsgruppe "Bankgesellschaft" bei der Staatsanwaltschaft hat sehr gute Arbeit geleistet. Anhängig sind noch 45 - von ursprünglich 117 - Ermittlungsverfahren. Inzwischen hat sich die Spreu vom Weizen getrennt.

Wen betreffen die anhängigen Ermittlungsverfahren?

Eine Vielzahl ehemaliger Vorstände der Bankgesellschaft und deren Teilbanken. Unter anderem den Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Rupf, den ehemaligen Berlin Hyp-Chef Klaus Landowsky und dessen Vorstandskollegen. Ermittelt wird auch gegen die Aubis-Geschäftsführer Klaus Wienhold und Neuling, und wegen der Immobilienfonds zum Beispiel gegen Herrn Schoeps, Lauritzen und andere.

Geht es hauptsächlich um den Vorwurf der Untreue oder gibt es handfestere Verdachtsmomente?

Es geht im Wesentlichen um den Vorwurf der Untreue. Ermittelt wird aber auch wegen des Verdachts des Betruges, des Geheimnisverrats und der Urkundenfälschung. Nicht ermittelt wird wegen des Verdachts der Bestechung, weil die Mitarbeiter der Bankgesellschaft keine Amtsträger im Sinne des Strafgesetzbuches sind. Bis dato gibt es keine Hinweise auf Kapitalverbrechen...

Sie spielen auf den angeblichen Selbstmord des ehemaligen EDV-Chefs von Aubis, Lars Oliver P., an.

Es wurde geprüft, ob der Tod des früheren Aubis-Mitarbeiters durch Fremdverschulden zustande kam. Die gerichtsmedizinischen Untersuchungen haben zum Ergebnis geführt, dass es sich eindeutig um einen Suizid handelte. Die Begleitumstände dieses Falles, vermutete Erpressungsmanöver und das plötzliche Abtauchen des Mannes, sind allerdings immer noch als dubios zu bezeichnen.

Wenn Sie jetzt nocheinmal einen Blick auf den rot-grünen Senat werfen, wie haben SPD und Grüne harmoniert?

Dieser Senat war nicht der Gute-Laune-Senat, den der SPD-Chef Peter Strieder glaubte vorauszuahnen. Das ist schade, ich hätte gerne in einem Gute-Laune-Senat gearbeitet. In der Regel litt der Senat unter den harten Sachentscheidungen die dort getroffen wurden. Wir haben entsprechend schwierige und enervierende Diskussionen geführt.

Auch aus der SPD hört man in diesen Tagen sehr kritische Töne gegen den Regierenden Bürgermeister. Wie würden Sie die Führungsqualitäten von Wowereit beurteilen?

Es ist jetzt nicht die Situation, um nachzutreten. Aber es sind im Zuge der Koalitionsverhandlungen und durch die Kandidatensuche für den rot-roten Senat tatsächlich sehr viele Fragezeichen aufgeworfen worden. Zudem wird in der Öffentlichkeit die Frage gestellt, ob man der Bevölkerung Blut, Schweiß und Tränen verordnen kann, während der Regierende als Bruder Leichtfuß am liebsten den Stöckelschuh in die Hand nimmt. Hier sollte Klaus Wowereit von Gerhard Schröder lernen - dort war es der Brioni-Mantel, hier ist es die Champagnerflasche.

Hat es sich für die Grünen überhaupt gelohnt, den Machtwechsel herbeizuführen und in den Übergangssenat zu gehen?

Ich denke ja. Unmittelbar haben wir zwar keinen Vorteil davon. Vordergründig gesehen, sind wir sogar die Verlierer: Die Steigbügelhalter, die jetzt nicht mit im Sattel sitzen. Aber die Grünen waren es, die im Januar 2001 von der Götterdämmerung der Großen Koalition gesprochen haben. Wir wollten, dass die Hegemonie von Diepgen und Landowsky ein Ende hat. Wir wollten, dass die CDU die Verantwortung für das, was sie sich mit der Bankgesellschaft geleistet hat, übernehmen sollte. Und die Bankgesellschaft war doch nur ein Synonym für eine Politik, die mit geliehenem Geld Gesellschaftsbeglückung betrieben hat - zum Erhalt der eigenen Machtbasis. Dies zu beenden, war für uns eine originäre Aufgabe. Auf der anderen Seite ist es sehr schade, dass die Aufbruchstimmung aus dem Sommer 2001 schon sechs Monate später tot ist. Das muss man auch Klaus Wowereit anlasten.

Senator zu sein war für Sie ein lang erhoffter Traum.

Ich war sehr gerne Justizsenator. Und wir - also ich und das gesamte Haus - haben in diesen sechs Monaten viel angestoßen: Wir haben die Mängel und Schandflecke bei der Justiz benannt. Übrigens in Übereinstimmung mit denjenigen, die in der Justiz, in den Gerichten im Vollzug tätig sind. Nach dieser Bestandsaufnahme wurde einiges angeschoben. Etwa die Modernisierung der Gerichte, wenigstens eine gewisse Verbesserung der Sitation in den Vollzugsanstalten und vieles andere. Ausserdem ist die Justiz von den Sparzwängen mehr als andere Ressorts verschont worden. Da fällt mir der Abschied schon schwer.

Wie sehen Sie - unter den neuen Vorzeichen - das Scheitern der Ampelverhandlungen?

Als Fachpolitiker sehe ich das Scheitern mit Enttäuschung. Als Grünen-Politiker spielt auch eine gewisse Erleichterung mit. Das Regieren in der Ampel wäre ein Ritt über den Bodenseee geworden. Man hätte ihn aber trotzdem unternehmen können.

Wird es in der Opposition jetzt einfacher an der Seite von CDU und FDP?

Nein, die Grobpolarisierung wird immer rechts gegen links und links gegen rechts sein. Wir werden es von Anfang an schwer haben, eine eigenständige Linie zu zeichnen. Wir haben uns diese Oppositionsrolle aber nicht ausgesucht. Wir hören jetzt auf nach bestandener Probezeit. Das ist eine bittere Sache. Aber zur Politik gehört das Bewußtsein, ein Mandat auf Zeit zu haben.

Haben Sie einen Rat für Ihre Nachfolgerin Karin Schubert?

Sie sollte das fortführen, was wir begonnen haben - inhaltlich wie personell. Dafür hätte sie bereits einen hervorragenden Staatssekretär im Hause. Rechtspolitisch gibt es zwischen Frau Schubert und mir übrigens kaum Unterschiede. Ich hoffe, dass sie sich im Senat auch durchsetzen kann. Im Berliner Senat zu sitzen ist keine Kuschelübung.

Herr Wieland[werden Sie morgen im Abgeordnetenhau]

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