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Türsteher. Nach einem Angriff auf einen kenianischen Mitarbeiter im Club wurde vor der Disko demonstriert.

© dpa

Komasaufen in Berlin: Wie die Diskothek Q-Dorf darum kämpft, sicher für die Jugend zu sein

Die Disko gibt es bald 40 Jahre, doch das Publikum hat sich geändert. Der Chef sagt: Wir haben kein Nazi-Problem, aber die Gäste trinken zu viel.

Die Diskothek Q-Dorf an der Joachimstaler Straße in Wilmersdorf hat nach Ansicht ihres Chefs zwar keine Probleme mit Rechtsradikalen – aber mit immer mehr betrunkenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. An manchen Tagen weise man fast ein Drittel der jungen Gäste am Eingang ab, weil sie zu stark alkoholisiert seien, sagte Geschäftsführer Torsten Wiesske jetzt im Ausschuss für Wirtschaft und Ordnung der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf. Oft träfen sich Gruppen nebenan am Joachimstaler Platz, um mit mitgebrachten Alkoholika „vorzuglühen“. Rechtsextreme habe er dagegen noch nie im Club gesehen, betonte Wiesske. Den Angriff auf einen kenianischen Mitarbeiter im Januar hätten vermutlich junge Touristen verübt, das Q-Dorf sei voller auswärtiger Schulklassen gewesen.

Zu Wiesskes Auftritt im Ausschuss trug auch ein folgenschweres Missverständnis bei. Es ging um eine Äußerung bei der Solidaritätskundgebung für den Kenianer Jimmy C.; ein Gast hatte diesen mit einem Glas schwer am Auge verletzt und soll ihn ausländerfeindlich beleidigt haben. Auf einen Zuruf hin, wie er mit Trägern der unter Neonazis beliebten Modemarke „Thor Steinar“ umgehe, antwortete Wiesske bei der Demo nach eigener Erinnerung: Es gebe im Q-Dorf keine Schwierigkeiten mit Rechtsextremen und daher auch keine mit deren Kleidung. In einem Medienbericht las sich dies später so: Es stelle für Wiesske kein Problem dar, dass „Personen mit Thor-Steinar-Kleidung in seine Diskothek dürften“. Daraufhin verlangte ein SPD-Bezirksverordneter, das Bezirksamt solle die Disko-Betreiber über die Modemarke belehren.

„Neonazis wissen, dass wir kein geeigneter Treffpunkt für sie sind“, betonte der Geschäftsführer. Er selbst sei seit langem Parteimitglied der Grünen, und „60 bis 70 Prozent unserer Mitarbeiter haben Migrationshintergrund“. Laut Wiesske arbeitet der 40-jährige Jimmy C. wieder als Reinigungskraft im Q-Dorf und hat keine bleibenden Schäden am Auge erlitten. Nach Zeugenaussagen soll der unbekannte Täter ein T-Shirt der politisch unverdächtigen Marke „Camp David“ getragen haben. Wiesske sieht seine Disko als „letztes Monument des Nachtlebens“ rund um den Ku’damm, wo seit dem Mauerfall viele Clubs schlossen; die Szene hat sich in die östliche Innenstadt verlagert. Das Q-Dorf hielt sich dank des hohen Touristenanteils unter den Gästen. Es ist seit 37 Jahren ein Familienbetrieb und beschäftigt 120 Mitarbeiter.

„Wir sind die am stärksten überwachte Einrichtung in der City West“, sagte Wiesske. Es gebe oft Kontrollen, alle zwei Monate treffe man sich mit Polizisten, und auch mit dem Ordnungsamt arbeite man eng zusammen. „Aber wir können nichts für die Erziehung unseres Nachwuchses.“ Besäufnisse vor dem Diskobesuch uferten offenbar mehr aus als früher. Im Q-Dorf selbst habe man dem Alkoholkonsum im Griff, etwa durch die farbigen Armbänder für Minderjährige – wer diese trage, bekomme weder hochprozentige Alkoholika noch Bier und Wein in großen Mengen.

Eine Polizeistatistik weist für das Vorjahr 53 Einsätze „für die Örtlichkeit der Diskothek Q-Dorf“ aus, unterscheidet dabei allerdings nicht zwischen Einsätzen im und direkt vor dem Club. Weitere 94 Mal griffen Beamte in der Umgebung ein, darunter auf dem Joachimstaler Platz. Es ging vor allem um Körperverletzungen, weitere Anlässe waren Diebstahl, Raub sowie „hilflose und verletzte Personen“.

Die SPD hat in der BVV neulich den für Ordnungsangelegenheiten zuständigen Stadtrat Marc Schulte (SPD) nach der Situation im Q-Dorf gefragt. Wie sich herausstellte, gab es dort 2012 keine Jugendschutzkontrolle. Jetzt forderte der Ausschuss für Wirtschaft und Ordnung auf Antrag der Sozialdemokraten monatliche Kontrollen des Ordnungsamts und der Polizei in der Disko und Umgebung.

Doch Schulte hat ein Personalproblem. Das Q-Dorf öffnet um 21 Uhr, aber spätestens gegen 23 Uhr enden die Einsätze des Ordnungsamts, weil die Arbeitszeit bis Mitternacht begrenzt ist und die Mitarbeiter bis dahin zum Umziehen in ihre Dienststelle zurückkehren müssen. „Wir hören auf, wenn es erst richtig losgeht“, beklagt Schulte. Mehrere Mitarbeiter seien bereit, bis drei Uhr zu arbeiten, „aber der Personalrat war dagegen“. Darüber wolle er jetzt noch einmal verhandeln.

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