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Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) ist zufrieden mit den Krimininalitätszahlen.

© dpa

Kriminalitätsstatistik 2017: Berlin wird wieder roher

Der Eindruck des Innensenators, Berlin werde sicherer, ist gewagt. Sie passt auch nicht zur plötzlichen Entlassung des Polizeipräsidenten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Sicherheit in einer großen Stadt ist eine Sache richtig gesetzter polizeilicher Schwerpunkte. Den Schluss legt die am Freitag vorgelegte Kriminalitätsstatistik für 2017 nahe. Weniger Einbrüche, weniger Taschendiebstähle – das ist dem polizeilichen Bemühen um Prävention zu verdanken und dem konsequenten Vorgehen gegen Einbrecher- und Diebesbanden.

Dazu musste die materiell nicht gerade verwöhnte Berliner Polizei Kräfte bündeln und konzentrieren, und das hat sich einstweilen gelohnt. Prävention bedeutet auch: Aufrüstung. Wohnungstüren werden sicherheitstechnisch aufgerüstet, Balkontüren, Fenster, Hauseingänge – und wer für sein Fahrradschloss nicht 80 oder 100 Euro ausgibt, sollte sich keine Illusionen machen. Die Sicherheit des Eigentums ist längst abhängig von dem Aufwand, den man als Bürger dafür treibt – und von den Reisewegen berufskrimineller Banden; die machen derzeit vielleicht einfach andere Teile Europas unsicher.

Überhaupt ist die frohgemute These von Innensenator Andreas Geisel (SPD) gewagt, dass Berlin „wieder ein Stück sicherer geworden“ sei. 32 Prozent mehr Sexualstraftaten sind erwähnenswert, auch wenn sie statistisch mit einer Rechtsänderung erklärt werden. Der Klaps auf den Po, der Griff an die Brust werden jetzt mitgerechnet. Die Statistik ist, wenn man so will, ehrlicher, doch Frauen sind damit nicht sicherer unterwegs.

Verrohung unter Jugendlichen und gegenüber Helfern

Gestiegen ist auch die Anzahl der gefährlichen Körperverletzungen, ebenso wie die Anzahl der Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungsdienste. Berlin ist rabiater geworden, daran haben die Bemühungen um Schwerpunkteinsätze und die Konzentration von Kräften nichts geändert. Die Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Berlin, Kerstin Philipp, spricht von zunehmender Gewaltintensität im öffentlichen Raum. Das trifft die Lage besser als Geisels „ein Stück sicherer“.

Jugendgruppengewalt ist wieder, wie vor Jahren, ein Phänomen, wie auch die Verrohung im Umgang miteinander, die sich an Attacken auf Helfer in Uniform zeigt. Über 61.000 Rohheitsdelikte, vom Raub bis zum brutalen tätlichen Angriff, sind schon bemerkenswert, und die Anzahl der Kriminalitätsbrennpunkte ist nicht kleiner geworden. Da hat Geisel keinen Grund zur Zufriedenheit.

Überhaupt kann man sich fragen, warum der Innensenator gerade Polizeipräsident Klaus Kandt in den Ruhestand geschickt hat, wenn er Berlin für sicherer hält. Nicht zu reden von den Fehlern des Staatsschutzes im Fall Amri. Manche Daten aus der Kriminalitätsstatistik mögen Gründe zur Zufriedenheit bieten. Doch gibt es mehr als genug Orte in Berlin, an denen sich das Gefühl, man sei sicher, sehr schnell verflüchtigt.

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