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Das Abgeordnetenhaus in Berlin.

© Sonja Wurtscheid/dpa

Kritik an Berliner Abgeordneten: Jurist von Arnim nennt Diätenerhöhung „Griff in die Kasse“

Der Rechtswissenschaftler hält Berlins Parlamentsreform für verfassungswidrig. In einem Buch rechnet er ab – und hofft auf Reaktionen. Die AfD erwägt eine Klage.

Von Ronja Ringelstein

Wenn es nach ihm geht, hat die Sache mit der Parlamentsreform noch ein Nachspiel: Hans Herbert von Arnim, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler, nennt die Diätenerhöhung der Berliner Abgeordneten zum 1. Januar 2020 einen „Griff in die Kasse“ – und genauso hat er sein jetzt erschienenes Buch betitelt.

„Obwohl die Abgeordneten bei Übernahme ihres Mandats wussten, wie sie dafür von den Steuern zahlenden Bürgern entschädigt werden, haben sie sich unter Missbrauch ihrer Befugnisse mitten in der Wahlperiode einen in der Parlamentsgeschichte der Bundesrepublik einmaligen Zuschlag bewilligt“, sagte von Arnim während eines Pressetermins am Montag.

Von Arnim kritisiert das Verfahren der Erhöhung und besonders die Rückwirkung

Im Herbst 2019 hatten sich die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses mit Stimmen von SPD, Linken, Grünen, CDU und FDP die Diäten um knapp 60 Prozent von 3944 auf 6250 Euro im Monat erhöht. Die AfD hatte als einzige Fraktion geschlossen dagegen gestimmt. Dafür wurde aus dem Teilzeitparlament ein „Hauptzeitparlament“, mit längeren Ausschuss- und Plenarsitzungen. Auch das so genannte Übergangsgeld und die Altersversorgung der Parlamentarier wurde um diesen Prozentsatz erhöht.

Die immer wieder kritisierte Parlamentsgröße von 160 Abgeordneten wurde nicht verändert. „Ich kritisiere, dass die Erhöhungen der Versorgungen sogar mit Rückwirkung vorgenommen wurden, so dass langjährige Abgeordnete mit einem Schlag um mehrere 100 000 Euro reicher werden“, das alles sei unter der Heranziehung mit falschen Bezugsgrößen in Vergleichen mit anderen Bundesländern passiert. Von Arnim wirft den Abgeordneten „gezieltes Tricksen“ und Täuschung der Öffentlichkeit vor. Bei den Medien beobachte er „größere Zurückhaltung in der Kritik“, er vermute, dies sei so, da man der AfD „keinen Rückenwind“ geben wolle.

Die Parlamentarier seien nun um 51 Millionen Euro reicher

Der Jurist hofft, dass wenn nun, auch mit Hilfe seines Buchs, herauskomme, welche „enormen Auswirkungen“ das in seinen Augen verfassungswidrige Gesetz habe, das Parlament selbstständig „zum Rückzug bläst“, sonst könne es sogar den Parlamentarismus beschädigen. Auf 96 Seiten führt er auch einzelne Rechnungen auf, wie viel mehr die Abgeordneten, ehemalige Senatoren und die Mitglieder des Parlamentspräsidium durch die Reform beziehen. Das neue Gesetz habe, so heißt es, alle Abgeordneten zusammen – die Mehransprüche aus Versorgungen eingerechnet – um 51 Millionen Euro reicher gemacht, sodass auf jeden Volksvertreter und jede Volksvertreterin im Durchschnitt eine Vermögensmehrung von 320.000 entfalle. Diese Zahlen ergeben sich bei Hochrechnung der Diäten und der Altersbezüge nach Ausscheiden aus dem Parlament bis zum durchschnittlichen Lebensende.

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Volksbegehren oder eine Klage der „Nein“-Stimmer könnten das Gesetz kippen

Der Bürger habe zwar keine Klagebefugnis, aber von Arnim sieht noch zwei Möglichkeiten, das Gesetz zu Fall zu bringen: Abgeordnete, die im Parlament mit „Nein“ gestimmt haben, könnten laut von Arnim klagen, „weil sie sich kein verfassungswidriges Gesetz aufdrücken lassen müssen.“ Das waren neben der AfD-Fraktion, drei Fraktionslose sowie drei Abgeordnete der Grünen. Er nannte aber auch die Möglichkeit eines Volksbegehrens mit dem Antrag, dass das Gesetz zurückgenommen wird. Dieses Thema sei eine Steilvorlage für Verbände wie den Bund der Steuerzahler.

Die bereits eingelegte Verfassungsbeschwerde der beiden ehemaligen Abgeordnete Irana Rusta (SPD) und Jürgen Adler (CDU) vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hält von Arnim hingegen für nicht aussichtsreich, denn es gebe „kein Recht im Unrecht“ – Rusta und Adler richten sich gegen die Reform, da sie selbst nicht von ihr erfasst werden.

AfD erwägt nun Klage

„Ich finde, die Politik wäre gut beraten, um Politikverdrossenheit zu vermeiden, die Sache zu berichtigen“, sagte Alexander Kraus, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Steuerzahler Berlin dem Tagesspiegel. Ein Volksbegehren sehe Kraus allerdings nicht als realistisch, es sei rechtlich umstritten, ob ein Volksbegehren auf die Gesetzesänderungen von Diäten anwendbar sei. „Die AfD kann ja zeigen, ob sie nur so gestimmt hat, in der Sicherheit, auch von den Diäten zu profitieren oder ob es ihr ernst ist, und aktiv werden“, sagte Kraus. Kristin Brinker, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, fühlt sich durch von Arnim in ihrer Kritik an dem Gesetz bestätigt. „Die Klagemöglichkeit haben wir so noch nicht gesehen, das nehme ich heute mit und werde das in der Fraktion besprechen.“

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