zum Hauptinhalt
Die Lachyoga-Gruppe um Heidi Karnetzky heißt das neue Jahr willkommen.

© Thomas Loy

Lachyoga in Berlin: Lachen lernen als Workout fürs neue Jahr

Heidi Janetzky fängt gleich am Neujahrstag an, ihre Frauengruppe für die kommenden Monate zu wappnen. Eine Reportage.

Ilona, ehemalige Intensivkrankenschwester, hat sich viel zu mollig angezogen, drei Pullis plus Wolljacke. Aber so eine vierstündige Lachyoga-Wanderung sollte man nicht unterschätzen, sagt sie beim Treffen am S-Bahnhof Baumschulenweg.

Zusammen mit anderen Frauen (Männer sind halt keine gekommen, „finden das albern“, heißt es) will sie mit einem intensiven Stimmungs- und Lockerungstraining ins neue Jahr starten. Eingeladen hat Heidi Janetzky, eine ehemalige Schauspielerin, die verschiedene Workshops und „Lach-Fit-Workouts“ anbietet.

Als erstes falten sich alle Teilnehmerinnen aus roter Pappe ein kleines Schiffchen zurecht, das später an der Insel der Jugend auf die Spree entlassen werden soll, mit Wünschen für 2022 an Bord, aber auch Ängsten und Sorgen, die gerne irgendwo entsorgt werden möchten. Viele kennen Heidi schon länger, gehören zu ihrer festen Anhängerschaft.

Es gibt aber auch immer Probandinnen, die mal testen möchten, wie das so ist, scheinbar grundlos in der Öffentlichkeit zu lachen, sich auf die Schenkel zu klopfen, mit ausgebreiteten Armen das Universum zu grüßen, an imaginären Cocktails zu riechen, sich spontan selbst zu umarmen, gegenseitig zu loben oder eine absurde Geschichte zu erzählen und dabei die Zunge im Mund zu drehen und gleichzeitig möglichst viele andere Körperteile. Eine Koordinationsübung, an der Novizinnen schnell scheitern. Was natürlich zum Lachen ist.

Lachen ist mittlerweile in der Forschung etabliert

Heidi Janetzky, der Chefin, bereitet das alles keine Mühe. Fast jeder ihrer Sätze endet mit einem kurzen Hahaha, manchmal auch mit einem volumenreichen, weit greifenden, tief aus dem Bauch hervorbrechenden Haahaahaa. Sie schüttelt sich vor Lachen, wenn andere sich nur kurz ein verlegenes Lächeln erlauben. Man erkennt gut, wer hier Profi ist, erfahrene Lachyoga-Teilnehmerin oder eben noch ziemlich lachgehemmte Anfängerin. Heidi sagt: „Ich kann jeden Tag über denselben Witz lachen. Nicht alle können das.“ Aber man kann es lernen, glaubt Heidi.

Heidi Karnetzky erklärt ihrer Gruppe, worauf es beim Lachen ankommt.

© Thomas Loy

Die Wissenschaft des Lachens, Gelotologie, sei inzwischen etabliert, sagt die Expertin. Lachen entspannt die Muskulatur, baut Stress ab, aktiviert das körpereigenen Immunsystem. Sie selbst habe eine schwere Rheumaerkrankung durch das Lachtraining überwunden, erzählt Heidi. Vielen reicht es schon, das graue Winterwetter mit innerem Sonnenschein zu überstrahlen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

„Heidi lebt das“, sagt Britta, eine Betriebswirtin in den Fünfzigern. Sie hat mit dem Lachen in der Volkshochschule angefangen und kommt nicht mehr davon los. „Man bekommt den Kopf frei.“ In der Pandemie gab es zeitweise Online-Kurse, aber inzwischen bietet Heidi ihr Training wieder auf dem Tempelhofer Feld an, jeden Sonntag um 12 Uhr, am Eingang Columbiadamm, nahe den Imbissbuden.

[250.000 Leute, 1 Newsletter: Der Autor dieses Textes, Thomas Loy, schreibt den Tagesspiegel-Newsletter für Treptow-Köpenick. Den gibt es hier:leute.tagesspiegel.de]

Neben Ilona gibt es noch eine weitere Ex-Krankenschwester unter den Teilnehmerinnen: Ingrid, 70 Jahre alt, ist vor einem halben Jahr von München nach Berlin gezogen, um näher bei Kindern und Enkeln zu sein. Weil sie Kontakte knüpfen wollte, hat sie sich bei Heidi gemeldet. Auf ihrem Schiffchen hat sie sich vorgenommen, mit dem Rauchen aufzuhören.

Heidi ist die Strecke am Silvesternachmittag schon mal Probe gelaufen, ob die Wanderung auch so funktioniert wie gewünscht. Mit Zwischenstopps fürs Picknick, Toilettengänge, Meditationsphasen, Achtsamkeitsübungen und das Lockerungstraining. So ein Lachyoga- Event, das das neue Jahr gleich zu Beginn mit positiver Energie flutet, ist schließlich eine ernste Sache.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false