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21.04.2018, Berlin: Nina Stahr (l) und Werner Graf, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Berlin begrüßen die Teilnehmer bei der Landesdelegiertenkonferenz in Berlin. Der Parteitag berät unter anderem zwei Leitanträge zum Müllproblem in Berlin sowie zu den Herausforderungen bei der Kinderbetreuung. Foto: Christoph Soeder/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa

Landesdelegiertenkonferenz in Berlin: Grünen-Chefin lehnt Müllers solidarisches Grundeinkommen ab

Der Regierende Bürgermeister hat die Debatte um Hartz IV angekurbelt. Jetzt sagt der Koalitionspartner beim Parteitag: "Alter Wein in neuen Schläuchen."

Von Sabine Beikler

„Berlin grünt!“ lautet das Motto der Grünen-Landesdelegiertenkonferenz, die am Sonnabend auf dem Wista-Gelände in Adlershof begonnen hat – mit einer halben Stunde Verspätung, was man bei den Grünen als politische Tradition begreifen kann.

Der Dringlichkeitsantrag „Berlin trägt Kippa“ wird mit Sicherheit verabschieden werden. Darin rufen die Grünen zur Solidaritätskundgebung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße am Mittwoch, 18 Uhr, auf. „Wir kämpfen gegen jede Form von Antisemitismus“, sagte Parteichefin Nina Stahr. „Antisemitismus hat in dieser Stadt keinen Platz. Wir gehen am Mittwoch auf die Straße.“

"Bundesregierung noch im Winterschlaf"

Stahr ging in ihrer politischen Rede auf das Wetter ein: „Vom Frühling ist in der neuen Bundesregierung nichts zu spüren. Stattdessen: alles noch im Winterschlaf.“ Die grün mitregierten Länder würden die große Koalition auf Bundesebene im Klimaschutz vor sich her treiben. Und beim Familiennachzug würden die Grünen eine „rote Linie“ ziehen. „Es enttäuscht mich, dass es der SPD nicht gelungen ist, diese Linie genauso zu definieren“, wandte sich Stahr gegen die Regelung im Familiennachzug.

Einen Anspruch auf Familiennachzug haben derzeit nur anerkannte Asylsuchende. Bis Ende Juli muss die Bundesregierung eine Regelung für Asylsuchende mit eingeschränktem Schutzstatus finden. Grundsätzlich haben sich SPD und Union auf ein zusätzliches Kontingent von 1000 Nachzügen je Monat geeinigt, über die Ausgestaltung gibt es Streit. Die SPD kritisiert die engen Kriterien für die Auswahl der bis zu 1000 Angehörigen pro Monat.

Die Berliner Grünen-Fraktion hatte im Februar eine Resolution verabschiedet, wonach alle landesrechtlichen Spielräume ausgeschöpft werden sollen, um die Aussetzung des Familiennachzugs zu beenden. Die Grünen fordern, dass Bürgschaftsverpflichtungen, die von Privatpersonen für nachziehende syrische und irakische Familienmitglieder über fünf Jahre abgegeben werden müssen, auf zwei Jahre begrenzt werden. Das betonte Parteichefin Stahr gestern erneut.

"Solidarisches Grundeinkommen klingt toll, aber ..."

Und sie lehnte den Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) nach einem „solidarischen Grundeinkommen“ ab. „Ja klar, klingt solidarisches Grundeinkommen toll, aber am Ende ist das doch alter Wein in neuen Schläuchen“, sagte die Parteichefin und wies auf die Beschlusslage der Grünen hin: keine Sanktionen bei Hartz IV, sondern eine Grundsicherung für alle Menschen. Sie forderte Müller auf, mit den Grünen gemeinsam für die Einführung einer Kindergrundsicherung zu kämpfen.

Laut Müllers Vorschlag sollen Langzeitarbeitslose gemeinnützige Arbeitsangebote bekommen. Die steuerfinanzierten, unbefristeten Vollzeitjobs sollen auf kommunaler Ebene für sie geschaffen und wenigstens mit dem Mindestlohn bezahlt werden. Wer will, nimmt einen Job an. Wer nicht will, bekommt weiterhin Hartz IV.

Auch kostenfreier Nahverkehr auf der Agenda

Wie die Linke, die am vergangenen Wochenende auf ihrem Parteitag beschlossen hatte, den fahrscheinlosen ÖPNV für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre durchzusetzen, wollen die Grünen auch fern ÖPNV allen zugänglich machen. Tempo 30 auf besonders belastete Straßen sei der richtige Schritt. „Und wenn das nicht reicht, sind Fahrverbote für uns kein Tabu mehr“, so Stahr.

Auf dem Parteitag wollen die Grünen unter anderem über Kitas, Müllvermeidung, Wickeltische in der Gastronomie und über das Leitbild  „Stadt ohne Müll“ debattieren. Parteichef Werner Graf sagte dem „Verpackungs - und Einwegwahn“ in Berlin den Kampf an. 800.000 Tonnen Restmüll produziere Berlin im Jahr, pro Stunde würden in Berlin 30.000 Plastiktüten und 20.000 Einweg-Becher verbraucht. Das sind jährlich rund 175 Millionen Einwegbecher. Die Grünen verweisen auf die Better-World-Cup-Kampagne und können sich ein Pfandsystem für Mehrwegbecher vorstellen.

Elektrobusse für Berlin gefordert 

Der Dringlichkeitsantrag mit der Überschrift „Prioritäten setzen“ befasst sich mit der Einsetzung der geplanten Elektrobusse in Berlin. Darin fordern Parteimitglieder einen „ökologischen Fußabdruck“ für diese Investitionen. Der Dringlichkeitsantrag wurde zurückgezogen, diskutiert wird darüber dennoch - über den weiteren Antrag „Sauber mobil“, der wohl eine Mehrheit erhalten wird.

Hintergrund ist die Debatte über die Herstellung der Batterien, die bei einigen Elektrofahrzeugen doppelt so viel Kohlendioxid wie bei einem konventionellen Vergleichsprodukt freisetzt. Matthias Dittmer von der LAG Mobilität verweist auf China: Dort setze man immer mehr auf Wasserstoffbusse. Auch andere Grünen-Verkehrspolitiker betonen, dass man sich in Berlin nicht ausschließlich auf die Einsetzung von E-Bussen fokussieren dürfe. Die technologische Entwicklung gehe rasant vor sich, man wisse nicht, wie die Situation in zehn oder 15 Jahren aussehen wird.

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