Berlin: Laster-Fahrer übersah Radfahrerin beim Rechtsabbiegen und überrollte sie
Der Fall hatte Aufsehen erregt. Eine junge Frau wollte am 9.
Der Fall hatte Aufsehen erregt. Eine junge Frau wollte am 9. August vergangenen Jahres mit dem Fahrrad die Kreuzung Anhalter Straße / Stresemannstraße in Sichtweite des Preußischen Landtages überqueren. Sie geriet unter einen Lkw, wurde überrollt und starb noch am Unfallort. Gestern musste sich der Fahrer des Lkws vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten.
Auf der Anklagebank saß ein 41-jähriger Berufskraftfahrer aus Brandenburg. Nach eigenen Angaben war der Mann am Tag des Unfalls damit beschäftigt, auf seinem dreiachsigen Zehn-Tonner Sand zu einer Baustelle am Potsdamer Platz zu bringen. Zehn oder zwölf Touren hatte er bereits absolviert, als er an die Kreuzung kam und bei Rot warten musste, bis der Pfeil für die Rechtsabbieger auf Grün schaltete. "Ich fuhr um die Ecke und hörte 30 Meter weiter Schreien und Kreischen. Ich hielt an und sah jemanden auf der Straße liegen", sagte der Angeklagte gestern. Er habe beim Abbiegen nichts bemerkt, "nicht einmal ein Ruckeln", sagte der Angeklagte weiter.
Nach übereinstimmenden Angaben von Zeugen lief der Unfall "wie ein Film in Zeitlupe" ab. "Die Radfahrerin versuchte noch auszuweichen. Sie wurde jedoch von der vorderen Stoßstange getroffen und stürzte", sagte gestern ein Zeuge, der den Unfall aus nächster Nähe vom Steuer seines Wagens aus beobachtet hatte. Zunächst habe der Lkw das Fahrrad überrollt, anschließend den Körper des Opfers. Ein weiterer Zeuge sagte, dass "sich das Führerhaus leicht hob, als der Lkw die Radfahrerin überrollte".
Staatsanwaltschaft und Verteidigung sprachen von unklaren Beweisen und einer Kette tragischer Umstände und plädierten auf Freispruch. Doch Richter Wolfgang Vath folgte diesen Anträgen nicht. Er sprach den Angeklagten der fahrlässigen Tötung schuldig und verhängte eine Geldstrafe von 2500 Mark. Richter Vath sprach von einer klassischen Situation und verwies auf 16 vergleichbare Unfälle mit tödlichem Ausgang allein im Jahr 1999.
Den Fahrer treffe nur geringe Schuld, da er die Radfahrerin beim Blick in den Rückspiegel seines Lkws offenbar nicht gesehen habe. "Ein schwieriger Fall, aber der tote Winkel geht laut Rechtsprechung zu Lasten des Fahrers", sagte der Richter. Begründung: Wer am Steuer eines Lkws sitze, trage nun einmal umfassende Verantwortung für die Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer in seiner Nähe. Das Gericht wolle diese Verantwortung nicht verringern, sagte Vath.
Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Verteidiger Volker Hellwig will gegen das Urteil in Berufung gehen.
Michael Brunner