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Berlin: Lebensretter beim Herzinfarkt: Kardiologen fordern nach dem Tod von Giuseppe Sinopoli die Verbreitung von Defibrillatoren

Zahlreiche an einem Herzinfarkt verstorbene Berliner könnten noch leben, wäre in ihrer Nähe ein so genannnter Herz-Defibrillator griffbereit gewesen. Diese Einschätzung vertreten führende Berliner Kardiologen im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Zahlreiche an einem Herzinfarkt verstorbene Berliner könnten noch leben, wäre in ihrer Nähe ein so genannnter Herz-Defibrillator griffbereit gewesen. Diese Einschätzung vertreten führende Berliner Kardiologen im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Zugleich fordern sie, die lebensrettenden Geräte müssten an publikumsträchtigen Orten wie Theatern stationiert und auch Laien in ihre Bedienung eingewiesen werden. Anlass ihrer Äußerungen ist der Tod des Stardirigenten Giuseppe Sinopoli, der während einer "Aida"-Aufführung in der Deutschen Oper an einem Herzinfarkt verstarb. Ob ihn ein Defibrillator in der Hand der anwesenden Notärztin Ute Kock hätte retten können, darüber lässt sich nur spekulieren. Sie selbst ist skeptisch, denn als sie Sinopoli unmittelbar nach dem Anfall versorgte, war die Feuerwehr nach ihrer Aussage ungewöhnlich schnell mit einem Defibrillator zur Stelle. "Rascher hätte auch ich das Gerät kaum einsetzen können", sagte sie.

Damit widerspricht sie aber nicht dem Ruf nach einer weiteren Verbreitung der recht handlichen, auch von Laien zu bedienenden und etwa 7000 Mark teuren Rettungsgeräte. Bisher gibt es sie in Berlin wie auch anderswo in Deutschland nur in Notarzt- und Rettungswagen der Feuerwehr sowie in Krankenhäusern und Arztpraxen. Im Gegensatz zu den USA, wo Defibrillatoren bereits in Passagierjets, auf Flugplätzen und in Regierungsgebäuden griffbereit sind.

Die Geräte beseitigen durch einen Stromstoß, der auf Knopfdruck ausgelöst wird, das lebensgefährliche Kammerflimmern des Herzens. Leidet das Herz unter Sauerstoffmangel, was den Infarkt auslöst, "so wird es auch elektrisch instabil", erklärt der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes bei der Feuerwehr, Bernd Krause-Dietering. Folge: Die Herzfasern sind im Rhythmus gestört, sie flimmern. In dieser lebensbedrohlichen Situation kann sie der Elektroschock des Defibrillators wieder auf Linie bringen.

Entscheidend ist allerdings, wie schnell das Gerät zum Einsatz kommt. Krause-Dieterings Kollegen sind mit dem Rettungswagen nach fünf bis zehn Minuten zur Stelle - und damit "oft zu spät", sagt der Chefkardiologen im Urban-Krankenhaus, Professor Dietrich Andresen. Deshalb überleben nur etwa 15 Prozent der Herzinfarkt-Patienten, zu denen die Feuerwehr eilt.

Wird ein Defibrillator bereits eine Minute nach dem Anfall eingesetzt, hat ein Patient 40 Prozent Überlebenschancen. Für Dietrich Andresen ist die Verbreitung deshalb unerlässlich. Der Direktor der Kardiologie am Herzzentrum des Virchow-Klinikums, Professor Eckart Fleck, sieht das ebenso. "Würden auch Laien die Geräte einsetzen, wären sie oft schneller als die Feuerwehr."

Eckart Fleck hat allerdings die Erfahrung gemacht, "dass viele Laien solche Stress-Situationen scheuen." Ein Vorbehalt, den intensivere Erste-Hilfe-Kurse nehmen könnten. Dabei müsste aus Sicht der Experten die Bedienung des Defibrillators trainiert werden, verbunden mit einer Herz-Muskel-Massage, die bisher gleichfalls nicht zum Unterrichtsprogramm gehört. Entsprechende Initiativen werden nach Auskunft der Kardiologen gemeinsam mit dem Roten Kreuz und der Feuerwehr vorbereitet.

Defibrillatoren sind auch in der Hand von Laien brauchbar, weil sie mit Hilfe von Elektroden selbstständig erkennen, ob ein Stromstoß nötig ist. Die Elektroden werden am Patienten befestigt, wenige Sekunden später sagt eine Computerstimme: "Schock empfohlen." Andresen: "Wir wissen, dass beispielsweise die Angehörigen Infarktgefährdeter damit gut zurecht kommen."

Dennoch sollten die Lebensretter "nicht wie Feuerlöscher an jeder Ecke aufgehängt werden." Theater, Behörden oder Betriebe sind aber aus Sicht der Ärzte gut geeignet.

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