Berlin: Lehrer sind frustriert: Der Streik wirkt bis heute nach
Osterstimmung in der Stadt: Die Schulen läuten heute nach der dritten Stunde die Ferien ein. Während die Kinder froh gesinnt zum nächsten Eisladen ziehen, und ihre Pädagogen sich den letzten Festtagseinkäufen widmen, scheint keiner mehr daran zu denken, dass sich heute zum ersten Mal der große Lehrerstreik jährt.
Osterstimmung in der Stadt: Die Schulen läuten heute nach der dritten Stunde die Ferien ein. Während die Kinder froh gesinnt zum nächsten Eisladen ziehen, und ihre Pädagogen sich den letzten Festtagseinkäufen widmen, scheint keiner mehr daran zu denken, dass sich heute zum ersten Mal der große Lehrerstreik jährt. Dabei lohnt ein Rückblick, denn die Wirkung der massiven Proteste vom 12. April 2000 hält an. Rund 50 000 Menschen waren damals auf der Straße, darunter etwa 10 000 Lehrer. An rund 500 Schulen gab es keinen regulären Unterricht, mehrere Dutzend meldeten sogar "Totalausfall".
Noch heute machen Politiker und Abgeordnete einen verschreckten Eindruck, wenn sie an die Ereignisse vor einem Jahr denken. Mag sein, dass sie nicht damit gerechnet hatten, dass die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit und der Unterrichtssausfall derartige Proteste nach sich ziehen würden. Eins ist klar: An eine weitere Arbeitszeiterhöhung traut sich so bald kein Politiker mehr. Dies wird auch gebetsmühlenartig von Schulsenator Böger (SPD) beteuert.
Bei den Lehrern selbst überwiegt aber trotzdem die Enttäuschung. Für sie zählt in erster Linie, dass die Arbeitszeiterhöhung nicht zurückgenommen wurde. Enttäuscht sind die Pädagogen von allen Parteien, glaubt Ulf Redwanz, Leiter der Tempelhofer Annedore-Leber-Grundschule. Hier hatte rund ein Drittel des Kollegiums gestreikt. Geblieben sei "Frust", zumal sich die Arbeitsbedingungen durch die Abstriche bei der Behindertenintegration noch weiter verschlechtert hätten. Redwanz geht davon aus, dass viele Lehrer beim nächsten Mal nicht wählen gehen.
Ähnlich lautet die Einschätzung bei der Carl-Zeiss-Oberschule. Eine "gewisse Resignation" sei eingetreten, die Verschleißerscheinungen würden immer deutlicher, resümiert der pädagogische Koordinator Hans-Joachim Rohde. Er lobt allerdings das Landesschulamt: Die Lehrerausstattung sei in diesem Schuljahr besser geworden, der Unterrichtsausfall geringer. Das heutige Streik-Jubiläum ist hier aber ebenso wenig ein Thema wie etwa an der Tiergartener Wartburg-Sonderschule. Die familiäre Not der Schüler sei bei ihnen so groß, dass das Kollegium an so etwas wie den Streik nicht mehr denke, meint Leiter Heinz Schernick. Was ihn aber "deprimiert", ist die Kürzung der Lehr- und Lernmittel durch den Bezirk. Nur knapp 60 Prozent der zustehenden Mittel kommen bei seiner Schule an.
Ein Thema ist der Streik allerdings noch in der Rechtsabteilung des Landesschulamtes. Rund 4000 Gehaltsabzüge für streikende Lehrer wurden hier bearbeitet. Der Betrag habe im Schnitt bei 150 Mark gelegen, resümiert GEW-Chef Ulrich Thöne. In der Akte wird dies nicht vermerkt. Anders verhält es sich mit den Fällen, in denen disziplinarische Maßnahmen geprüft wurden. Hier handelt es sich meist um Lehrer in Leitungspositionen. In 48 Fällen wurden Vorermittlungen eingeleitet, die bei 13 Beamten zu einer Geldbuße und in zwei Fällen zu einem Verweis führen sollen, berichtet die Senatsschulverwaltung. Zurzeit sind die Personalräte am Zuge. "Der Berg kreist und gebiert eine Maus", feixt eine Gewerkschaftsfrau über die milden Strafen angesichts der so vollmundigen Drohungen Bögers und des Regierenden Bürgermeisters im Vorfeld des Streiks.