Berlin: Letzte Hoffnung für kranke Babys
Deutsches Herzzentrum kann mit neuer Technik jetzt Neugeborene am offenen Herzen operieren. 60 Kinder wurden gerettet
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Als Manuelas Büchtemanns Sorge um ihren Sohn Ian am größten war, schickten die Ärzte sie nach Hause. „Wir können nichts mehr für ihn tun“, sagten die Spezialisten des Leipziger Herzzentrums zu ihr. Die Aussage schockte die Mutter des fünf Monate alten Jungen mit dem Herzklappenfehler aus der Nähe von Leipzig.
Das ist nun vier Monate her, und Ian sitzt im gepunkteten Strampler auf dem Schoß seiner Mutter und inspiziert interessiert einen roten Kugelschreiber. Vor 16 Tagen rekonstruierten die Chirurgen vom Deutschen Herzzentrum in Berlin-Wedding seine Herzklappe. Möglich sei dieser Eingriff nur durch den Einsatz einer speziellen Herz-Lungen-Maschine für Babys gewesen, sagt der ärztliche Direktor Roland Hetzer, der die Operation leitete. Die Maschine hat das Zentrum vor einem Jahr bei einer Münchner Firma in Auftrag gegeben – seit etwa einem halben Jahr ist sie hier im Einsatz.
Gestern informierte das Berliner Herzzentrum über die Erfolge mit dem neuen Gerät – Ian und seine Mutter waren dabei. Alle Herz-Lungen-Maschinen, sagte der Kardiotechniker Wolfgang Böttcher, funktionieren nach dem gleichen Prinzip und übernehmen, wenn das Herz geöffnet wird, die Aufgaben der entsprechenden Organe: Das Venenblut, das dem Körper entnommen wird, wird mit Sauerstoff angereichert und dann weiter in eine Kreiselpumpe geleitet. Diese drückt das Blut zurück in die Arterien. Um den künstlichen Kreislauf der Herz-Lungen-Maschine erst einmal in Gang zu setzen, braucht sie vorab Flüssigkeitszufuhr. Meist handelt es sich dabei um eine Kochsalzmischung mit Eiweißzusätzen, die dann mit dem Blut in den Körper gepumpt wird. Bei herkömmlichen Maschinen ist das eine Menge von knapp zwei Litern. Erwachsene können das tolerieren, schließlich zirkulieren bei ihnen rund sechs Liter Blut durch den Körper. Für kleine Kinder aber ist das zu viel: Bei ihnen ist nur ein halber Liter Blut im Umlauf, eine viermal so große Menge an Ersatzflüssigkeit würde da eine erhebliche Störung bedeuten. Deshalb sehen Mediziner Operationen am offenen Herzen bei unter fünf Kilogramm wiegenden Kindern oft als risikoreich, bei jenen unterhalb der Drei-KilogrammGrenze sogar als unmöglich an. So war es wohl auch bei den Ärzten, die Ians Mutter sagten, dass es keine Hoffnung mehr für deren Sohn gäbe, doch die 38-Jährige gab nicht auf: Sie holte eine zweite Meinung von einem Spezialisten in Magdeburg ein, und der verwies sie an das Deutsche Herzzentrum Berlin. Die Maschine, die dort im Einsatz ist, hat ein Füllgewicht von nur 180 Milliliter. Das sei eine erstaunlich geringe Menge, sagt auch Herko Grubitzsch, Herzchirurg an der Charité. An seiner Klinik hat selbst die kleinste Maschine noch ein Füllgewicht von 300 Millilitern.
Bislang haben Roland Hetzer und seine Kollegen rund 60 Neugeborene unter Einsatz ihrer Maschine operiert, das kleinste von ihnen wog lediglich 1800 Gramm. Gekostet hat das Gerät 125 000 Euro. Eine Investition, die sich gelohnt hat, wenn man Manuela Büchtemann und Ian sieht. Heute könne sie ihren Sohn nach Hause nehmen, hat Hetzer gesagt – und dieses Mal ist das keine Drohung, sondern ein Versprechen.
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