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Berlin: Lieber Poe als Rambo

Kaum ein Schauspieler wurde so mit seinen Rollen identifiziert wie Sylvester Stallone. Dabei will er weit mehr als nur Action. Heute erhält der 57-Jährige die Goldene Kamera Lieber Poe als Rambo

Da sind sie also: die berühmtesten Fäuste der Filmgeschichte. Rockys Pranken. Gerade noch hielten sie eine Mineralwasserflasche gepackt, jetzt ruhen sie auf dem Tisch, später werden sie sogar kurz auf die Platte hauen, um dieses und jenes zu unterstreichen. Noch immer glaubhaft, Ehrfurcht gebietend, alles andere als zierlich wie etwa die von John Wayne, dessen Faustabdruck am Hollywood Boulevard doch reichlich ernüchtert.

Nein, an Sylvester Stallone ist alles echt und authentisch, die nicht überdimensionierten, aber doch groß zu nennenden Hände, das leicht schiefe Lächeln, das bodenständige Outfit mit Jeans und beigefarbenem Sweatshirt, die sehnigen Unterarme freigekrempelt. Später beim Regierenden Bürgermeister, zur Eintragung ins Gästebuch der Stadt Berlin, wird der 57-Jährige in feinerem Zwirn erscheinen, gewiss ebenso an diesem Mittwochabend zur Verleihung der Goldenen Kamera im Schauspielhaus. Jetzt aber, vor der kleinen Journalistenschar in einer Suite des Hotels Four Seasons, gibt er sich hemdsärmelig – und überraschend redselig.

Man hat ihn ja eher als wortkargen Helden in Erinnerung, gerade für einen Boxer ist es ratsam, den Mund geschlossen zu halten. Aber in den 20 zugebilligten Interviewminuten genügen wenige Stichwort-Fragen, den Rest besorgt Stallone. Der Film, um den es hier gehen soll, „Mission 3-D“, Robert Rodriguez Fortsetzung der „Spy Kids“-Serie, mit dem alten Sly als Bösewicht Toymaker und nur mit rot-grüner Brille anzusehen, wird dabei rasch zu Randepisode. Obwohl Stallone ihn nicht nur als Kindervergnügen eines virtuellen Videospiels verstanden wissen will, eher als modernes Märchen, durchaus in der Tradition von Hans Christian Andersen: Ein Mann, der Toymaker, hat einen Fehler begangen, wird dafür bestraft, vereinsamt, wird wütend, böse – und will doch, ein großes Kind, letztlich nur Vergebung: „Eine Erwachsenen-Situation, aber auf Kindergröße gebracht, nicht nur James Bond für Kids, sondern mit einer Moral, einer Botschaft.“

James Bond – der Name wird noch öfter fallen. Denn so wie Sean Connery mit 007 erging es doch auch Stallone mit Rocky und Rambo. Eigentlich war es sogar noch mühseliger. Connery blieb immer nur Bond, während die Identifizierung Stallones mit seinen beiden Rollen viel weiter ging: „politisch, emotional, satirisch“. Noch immer kann Stallone nur den Kopf schütteln über Leute, die ihn – „Hallo Rambo!“ – auf der Straße ansprachen und bestimmt noch nie in einem Film von ihm saßen. Und dann die politischen Reden zu Reagan oder auch Saddam Hussein, etwa so: „Das ist nicht wie bei Rambo, das ist real.“ Dann dachte er immer: „O mein Gott“ und ärgerte sich, so reduziert zu werden. Zumal er die Filme ganz anders sah. Der Einzelgänger Rambo als einer, der für den Präsidenten arbeitete? Wieso denn eigentlich?

Also in Würde altern wie Clint Eastwood? Ja, der habe es richtig gemacht, schon früh die Weichen gestellt zu einer Karriere auch hinter der Kamera, das sei „the smart way“, gerät Stallone fast ins Schwärmen. Schwarzeneggers Weg dagegen – also für ihn wäre die Laufbahn als Politiker nichts, drei Dinner pro Abend, ständig von Kameras umgeben. Nein, alles lieber als das.

Wobei ihn das Altern schon beschäftigt, auch als Autor. So habe er ein Stück geschrieben: „Punchers Chance“. Der Puncher, das sei im Englischen ein Boxer, der vielleicht schon sein Tempo verloren habe, nicht mehr sicher stehe, aber eines habe er noch, was ihn auszeichne – seinen Punch. Das sei das Drama der 45- bis 50-Jährigen, die noch immer einige „unerledigte Aufgaben“ haben, und plötzlich will die Gesellschaft sie nicht mehr: zu alt. Und dabei habe doch jeder noch einiges an „unfinished business“, er selbst beispielsweise einige Filme, die er unbedingt noch machen wolle, schließlich wolle er „zu dem Grund dessen kommen, was ich bin“.

Einiges aber wird wohl nie gelingen, da ist er realistisch. Zum Beispiel ein Projekt, das er seit 30 Jahren erfolglos betreibe: die Verfilmung des Lebens von Edgar Allan Poe, mit ihm als Regisseur. Aber so etwas ist leider nicht zu finanzieren. Die Leute in den Verleihfirmen gehen nur mal auf die Straße, fragen eine Hand voll Leute, wer denn dieser Poe war, und das war es dann. Und hier in Europa drehen? Geht nicht. Wegen der Familie.

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