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Der Zwölfjährige Gymnasiast Julius löst am Laptop in seinem Zuhause seine Schulaufgaben, die ihm seine Lehrer für jeden Tag über den Schulserver geschickt haben.

© Ulrich Perrey/dpa

So lief der erste Schultag in Berlin: Massive Server-Probleme, Liegestütz und gaaanz viel Elternarbeit

So erlebten betroffene Eltern und Schüler am Montag den Start des Homeschooling. Zwischen viel Kritik mischt sich auch einiges Lob an engagierten Lehrern.

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Schon am Sonntag war Berlins Homeschooling-Plattform „Lernraum Berlin“ wegen Wartungsarbeiten nicht erreichbar - zum Ärger vieler Lehrerinnen und Lehrer, die Aufgaben für den heutigen Schulstart nach den Weihnachtsferien hochladen wollten. Nachdem es am Montag kurzzeitig zunächst so aussah, als ob nun alles funktioniere, beschwerten sich Eltern über Probleme.

Der Schulstart von daheim geriet vielerorts holprig, andere Familien haben sich an das Pandemie-Lernen gewöhnt. Hier berichten Eltern und Schüler über ihren ersten Schultag nach dem Jahreswechsel, über Hampelmann-Übungen vor dem Rechner, engagierte Lehrerinnen, nervtötende Datenschutzvorschriften und endlose Tage vor dem Bildschirm.

504 Gateway Time-out

Am Montagmorgen war für Eltern im Lernraum nur diese Fehlermeldung zu sehen: 504 Gateway Time-out. Zumindest im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg (Verbund 1). Dabei war der Lernraum am Sonntagmorgen noch gut erreichbar. Hätte ich bloß da schon die Arbeitsblätter ausgedruckt.

Jetzt haben wir erstmal mit „Sport“ angefangen, die Kinder müssen würfeln und dann mehrere Sekunden Liegestütze machen oder als Hampelmann springen. Das Aufgabenblatt habe ich ergoogelt („Würfel“ + „Lernraum“ + „Sport“). Außerdem bleiben ja noch die Hefter, etwa „Mein Sternchenheft“ mit dem Schreiblehrgang, in dem das „ei“ geübt wird. Fabian Löhe

Videocall mit der Lehrerin

Am Wochenende, bevor die Schule wieder losgeht, meldet sich die Klassenlehrerin der Tempelhofer Grundschule über die Plattform „IServ“. Die Schule hat sich für diese alternative Plattform entschieden. Im ersten Lockdown kam sie noch nicht zum Einsatz, aber jetzt sind alle Eltern mit Zugangsdaten versorgt, die älteren Schüler haben den Umgang damit in der Schule geübt und wer (wie ich) den Servernamen verbummelt hat, findet Hilfe im Eltern-Chat bei Whatsapp.

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Die Klassenlehrerin schreibt den Kindern eine ermunternde Email und lädt einen Arbeitsplan für die Woche hoch. Sie hat, wie auch die Mathelehrerin, schon vor dem Lockdown Arbeitsblätter mit nach Hause gegeben, die wir jetzt abarbeiten. Am ersten Tag schaffen wir unser Pensum in vier Stunden, über den Tag verteilt.

Dass der Siebenjährige das allein abarbeitet, ist unrealistisch – aber das liegt nicht an den Lehrerinnen, sondern in der Natur der Sache. Mit beiden Lehrerinnen wird es in der ersten Woche auch Videokonferenzen über IServ geben, die Kinder werden dazu in Gruppen von drei bis fünf Schülern eingeteilt. Mein Sohn freut sich schon darauf. Anna Sauerbrey

Drei Minuten bis das Wort Error erscheint

Erwartet wird, das wir jetzt um 8 Uhr aufzustehen, um pünktlich zum Unterrichtsbeginn vor seinem Laptop zu sitzen. Unterrichtsmaterialien sollen dann im Internetforum Lernraum-Berlin gefunden werden. Ich starte also meinen Laptop, öffne die Website und warte. Nach etwa fünf Minuten wird mir dann vom Browser mitgeteilt, dass diese Seite nicht zu erreichen ist. Also geht das Spiel von vorne los.

Ich schließe und öffne den Browser nochmal, gehe auf die Website, dann warte ich wieder. Im besten Fall dauert es dieses Mal nur drei Minuten bis das Wort Error auf meinen Bildschirm erscheint. Wer hätte schon ahnen können, dass es bei einer landesweiten Schulschließung zur Überlastung einer Website kommen könnte, vor allem wenn deren Software mittlerweile 18 Jahre alt ist. 

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Meist so gegen zehn Uhr merken die ersten Lehrer, dass etwas nicht stimmt und schicken deshalb eine Mail mit einem Link zur Videokonferenz. Diese findet jedoch natürlich nicht über Zoom oder Google Meet statt. Nein, das wäre ja zu einfach und würde zudem nicht erst nach dem vierten Versuch funktionieren. Stattdessen werden wir von der Berliner Datenschutzbeauftragten gezwungen, sichere Anbieter zu benutzen, die zwar nur mit erheblichen Einschränkungen funktionieren, aber wenigstens nicht unsere ach so wertvollen Daten klauen.

Ich öffne also über meinen Gmail-Account den Link, um der äußerst sicheren Videokonferenz beizutreten. Nach etwa einer halben Stunde, die es dauert bis alle Schüler es überhaupt schaffen, dem Meeting beizutreten und dem Lehrer aufgefallen ist, dass er die ganze Zeit stummgeschaltet war und ihn deshalb niemand auf seine Frage nach Transportvorgängen bei semipermeablen Membranen antworten konnte, kann das Meeting beginnen.

Ungefähr sieben awkward silences später beendet der Lehrer dann das Meeting, meist aufgrund technischer Probleme oder der Tatsache, dass der Akku seines iPads nicht durchgehalten hat. Um zwölf Uhr kann ich dann mit den Aufgaben beginnen, die ich dann (hoffentlich) über meinen Gmail-Account erhalten habe.

Bis um 18:30 bin ich dann damit beschäftigt die Aufgaben zu bearbeiten und meine Lösungen in das jeweilige Lieblingsformat des Lehrers umzuwandeln. Aber das ist ehrlich gesagt kein Problem, da ich ja sowieso nicht zum Training gehen oder mich mit Freunden treffen darf. Ich sitze also Zuhause und schaue Serien bis ich mit Vorfreude auf die morgige Videokonferenz ins Bett gehe. Schüler aus Pankow, 11. Klasse

Alles gut mit „Bolle“

Homeschooling in Kreuzberg, nächste Runde. Nun wird also wieder gelesen, gefragt, gemailt, gezoomt, mir der Lernplattform „Bolle“ gelernt. „Wir hoffen, dass Sie die Tage nutzen konnten, die Energietanks wieder zu füllen, um mit einer großen Portion Zuversicht und Gelassenheit das Jahr 2021 zu gestalten“, schrieb das Klassenteam an die Elternschaft zum Schulhalbjahresbeginn.

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Und: „Für 2021 wünschen wir uns also, dass positiv wieder etwas Positives ist und dass die Bedingungen ein aktives Schulleben in der Schule zulassen!“ Das wünsche ich mir bei manchen Fächern auch, denn bei Tipps zu Physik an Tag eins muss ich als potenzielle Lehrerin passen - wie der Lernraum. Annette Kögel

Besser als im Frühjahr

Unsere Lehrerin hat kein Problem mit dem „Lernraum Berlin“. Sie hat ihn erst gar nicht benutzt. Das System ist den Eltern und Klassenkameraden meiner siebenjährigen Tochter völlig unbekannt. Digitaler Unterricht? Sense. Am Anfang des Schuljahres wurde noch verkündet, es werde daran gearbeitet, die Plattform einzurichten, doch es gebe dabei noch zu viele Probleme. Danach war das nie wieder Thema. Allerdings gab es für die Eltern und Schüler einen gut durchdachten Wochenplan – und alle Schulhefte kamen sofort mit nach Hause. Die Lehrerin hat versprochen anzurufen. Da wir Eltern uns jetzt besser auskennen und unsere Tochter schon die zweite Klasse besucht, läuft es viel besser als im Frühjahr. Die Jüngeren tun mir leid: Lesen, Rechnen und Schreiben lernen, das funktioniert nicht im Fernunterricht. Eine Onlinekonferenz mit der ganzen Klasse ist aber auch aus sozialen Gründen nett für die Kleinsten. Doch dafür müssten die Schulen auch endlich wissen, welche Plattformen sie benutzen dürfen, ohne eine Anzeige zu riskieren. Sandra Alter

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