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Jugendliche sind seit der Pandemie öfters an Depressionen erkrankt.

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Exklusiv

Mehr Depressionen und Adipositas: Pandemie beeinflusst weiterhin Gesundheit von Berlins Kindern

Der DAK-Kinder- und Jugendreport zeigt: Von 2018 bis 2021 waren immer weniger junge Berliner in ärztlicher Behandlung. Diagnosen wie etwa Depressionen nehmen aber zu.

Die mehr als 30 Monate andauernde Covid-19-Pandemie wirkt sich weiterhin auf die Inanspruchnahme von medizinischer Versorgung sowie auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Berlin aus. Das geht aus dem Kinder- und Jugendreport 2022 der DAK hervor.

Nach einer Analyse der drittgrößten deutschen Krankenkasse gingen für die Jahre 2018 bis 2021 Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte und Arzneimittelverschreibungen in der Hauptstadt insgesamt zurück. Dagegen stiegen einzelne Diagnosen wie Depressionen, Essstörungen und Adipositas in bestimmten Altersgruppen teilweise erheblich an.

Weit mehr Mädchen bekamen Antidepressiva

Besonders auffällig: bei jugendlichen Mädchen wurde häufiger eine Depressionsdiagnose gestellt als noch vor der Pandemie. In der Gruppe der weiblichen 15- bis 17-Jährigen stieg der Anteil um 29 Prozent. Mit rund 45 Fällen je 1000 Versicherten lag Berlin damit über den Bundeszahlen (40 Fälle je 1000 Versicherte). Bei den jugendlichen Mädchen verdoppelten sich auch die Verordnungen von Antidepressiva bei erstmalig ärztlich behandelten Depressionen (plus 91 Prozent). Bei gleichaltrigen Jungen zwischen 15 und 17 Jahren ging die Neuerkrankungsrate hingegen zurück.

Einen Anstieg gab es auch bei den Adipositas-Zahlen in der Altersgruppe der Fünf- bis Neunjährigen. Im Vergleich zum Vor-Pandemiezeitraum erhielten zehn Prozent mehr Grundschulkinder in Berlin 2021 die Diagnose Adipositas. Jungen waren weitaus häufiger betroffen – im Vergleich zu 2019 nahmen Neuerkrankungen bei männlichen Kindern um 20 Prozent zu. Bei den Mädchen war es lediglich ein Plus von einem Prozent. 

Meines Erachtens sehen wir hier nur die Spitze des Eisbergs.

Volker Röttsches, DAK-Landeschef in Berlin

Für die repräsentative Analyse wurden ambulante und stationäre Behandlungsdaten von rund 41.000 Kindern und Jugendlichen wissenschaftlich untersucht und mit der Situation vor der Pandemie verglichen. DAK-Landeschef Volker Röttsches warnt angesichts der Zahlen vor Langzeitfolgen und fordert politisches Handeln.

Insbesondere Jungen zwischen fünf bis neun Jahre entwickelten während der Pandemie starkes Übergewicht.
Insbesondere Jungen zwischen fünf bis neun Jahre entwickelten während der Pandemie starkes Übergewicht.

© dpa / picture alliance / Waltraud Grub

„Wir dürfen die betroffenen Jugendlichen und ihre Eltern mit den Problemen nicht allein lassen. In einer konzertierten Aktion müssen Berliner Politik und Fachleute aus allen beteiligten Bereichen die Folgen der Pandemie kurzfristig bewerten und Sofortprogramme und Hilfsangebote starten“, sagte Röttsches.

Wichtig seien offene Schulen im nahenden Corona-Winter sowie die Aufrechterhaltung von Halt gebenden Alltagsstrukturen wie Sportvereinen oder Freizeiteinrichtungen. „Meines Erachtens sehen wir hier nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Röttsches.

Weniger Kinder bekamen Antibiotika

Andererseits gingen 2021 Arztbesuche um acht Prozent und Krankenhausaufenthalte um 22 Prozent im Vergleich zu 2019 zurück. Besonders große Rückgänge gab es bei Infektionskrankheiten (minus 43 Prozent) und Atemwegserkrankungen (minus 31 Prozent). 2021 bekamen auch elf Prozent weniger Kinder- und Jugendliche Arzneimittel als in der Vor-Corona-Zeit verschrieben. Die Zahl der verordneten Antibiotika sank 2021 im Vergleich um 40 Prozent.

Besonderheiten gab es bei psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen: Insgesamt gingen die Behandlungszahlen in Berlin um zehn Prozent zurück. Auch Angststörungen bei jugendlichen Mädchen sanken in dieser Altersgruppe um elf Prozent. Was in der Fachwelt allerdings mit Sorge betrachtet wird.

Christoph U. Correll, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Charité, sieht als Ursache die fehlende Inanspruchnahme von psychiatrischer Diagnostik sowie Therapie. Er warnt: „In einer Zeit erhöhter Belastung und eines erhöhten Erkrankungs- wie Verschlechterungsrisikos ist dies alarmierend. Wir rechnen mit chronischen und Langzeitfolgen wie auch noch verspätet einsetzenden oder erkannten negativen psychischen und somatischen Auswirkungen der Pandemie.“ 

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