zum Hauptinhalt
Bedürftige müssen gepflegt werden. Aber nicht jeder vermeintliche Patient ist wirklich auf Hilfe angewiesen.
© dpa

Reaktionen auf Missbrauch: Mehr Kontrolleure gegen Pflegebetrug in Berlin

Die Bezirke erhalten für den Kampf gegen Betrüger mehr Personal – trotzdem bleiben viele unverfolgt.

Der Patient kam aus Osteuropa, er war im Rentenalter, er sprach angeblich kein Wort Deutsch. Er wirkte wie ein Pflegefall. Jedenfalls immer dann, wenn ein Kontrolleur seine Bedürftigkeit überprüfte. Später stellte sich heraus, dass der Senior aktiv seinen Alltag lebte, und deutsch konnte er auch. Und er war gesund.

Einer der vielen Betrugsfälle im Pflegedienst in Berlin. Einer jener Fälle, die der Grünen-Politiker Stephan von Dassel, Sozialstadtrat von Mitte, meinte, als er vom groß angelegten Betrug in diesem Bereich redete. Allein durch Kontrollen habe sein Bezirk die Ausgaben für ambulante Pflege im Jahr 2014 um sechs auf 24 Millionen Euro gesenkt.

So viel zu Mitte. Aber wie sieht’s in anderen Bezirken aus? Friedrichshain-Kreuzberg, Treptow-Köpenick und Neukölln haben auf entsprechende Anfragen geantwortet. Ines Heuer-Sehlmann, die Leiterin des Amtes für Soziales in Friedrichshain-Kreuzberg, teilt mit, ihre Behörde hätten von Dassels Zahlen „nicht überrascht“. In ihrem Bezirk wurden 2012 elf Betrugsfälle registriert, 2013 dann 23 und 2014 insgesamt 31 Fälle. Rund 20 Strafanzeigen wurden gestellt. Zur genauen Schadenshöhe bei Betrugsfällen machte sie keine Angaben. 2014 gab das Sozialamt 19,859 Millionen Euro für ambulante Pflege aus, 2012 waren es noch 20,805 Millionen Euro.

Die steigende Zahl der Betrugsfälle führt Heuer-Sehlmann darauf zurück, „dass wir geschulter den Leistungsmissbrauch verfolgen“. Derzeit hat das Amt einen Pflege-Fachkontrolleur. Mit den anderen Bezirken sowie dem Gesundheits- und dem Finanzsenat werde der Bezirk eine Vereinbarung unterzeichnen. Ziel: Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs. Der Senat für Gesundheit und Soziales wird alle Bezirke mit jeweils zwei zusätzlichen Stellen für Kontrollen unterstützen.

Auch im Sozialamt von Neukölln ist nur ein Kontrolleur im Einsatz. „Eine zweite Stelle“, sagt der zuständige Bezirksstadtrat Bernd Szczepanski (Grüne) „war 2014 kurzzeitig besetzt“. Doch die Mitarbeiterin ist wieder weg. Obwohl „auch Neukölln seit Jahren mit Betrugsfällen konfrontiert ist“. Bei Kontrollen wurden gleichwohl „zahlreiche Fälle identifiziert“. Genauer wurde Szczepanski nicht.

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat derzeit überhaupt keinen Kontrolleur. Prüfungen, sagt Bezirksstadtrat Gernot Klemm (Linke), zuständig für Soziales, hätten „Sozialarbeiter bei Hausbesuchen vorgenommen“. Und denen fiel kaum etwas auf. „In den vergangenen Jahren wurden nur wenige Unregelmäßigkeiten festgestellt.“ Konkreter wurde er nicht.

Das Thema Leistungsmissbrauch treibt auch den Senat für Gesundheit und Soziales um. Constance Frey, Sprecherin von Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU), sagt: „Uns ist dieses Thema wichtig.“ Seit mehreren Jahren verfolge die Senatsverwaltung mit den Pflegekasse, den Bezirken und den Ermittlungsbehörden „eine gemeinsam abgestimmte Strategie zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch in der Pflege. Dadurch ist es gelungen, das Verfahren wesentlich zu verbessern.“ Zudem habe es Maßnahmen gegeben, „um rechtssicher gegen Pflegemissbrauch vorzugehen“.

Aber zumindest in Neukölln ist von großen Verbesserungen wenig zu spüren. Von den zahlreichen Anzeigen des Sozialamts „sind leider die meisten Fälle im Sande verlaufen“, sagt Stadtrat Szczepanski. „Wir arbeiten gut mit dem LKA zusammen, eine Anklageerhebung bei der Staatsanwaltschaft erfolgt leider nur selten.“ Kein Wunder also, dass er sich „eine Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft wünscht“. Und noch einen Wunsch hat der Bezirksstadtrat: Der Senat möge „den Bezirken bessere Kontrollmöglichkeiten einräumen“. Die müssten zwar zahlen, aber die Verträge seien zwischen Pflegedienst und Patient abgeschlossen. Das „schränkt die Kontrollmöglichkeiten deutlich ein“.

Zur Startseite