Berlin: Meister des Starschnitts
Ein Backstage-Besuch beim Verwandlungskünstler Ennio Marchetto. Eben ist er noch Boy George, dann wird er schon zu Mona Lisa
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Klapp und zack – wo eben noch Barbara Streisands Dekolleté blitzte, streckt jetzt Wonder Woman die langen Beine. „Das ist ein ganz einfaches Kostüm“, sagt Ennio Marchetto fast entschuldigend. Er habe welche mit viel komplizierteren Klappmechanismen. Und was ist das da, was so ägyptisch aus dem bunten Papphaufen ragt? „Ein Sarkophag, in der eine umwickelte Mumie steckt, die sich in Cher verwandelt.“ Und zwar am Leib von Ennio, der damit in Sekundenschnelle die Schönheits-OPs der Popdiva karikiert. Drunter trägt der weltweit gefeierte Komödiant schwarze Theaterstrumpfhosen, drüber aufgesteckte Papierteile. Wie eine dieser Anziehpuppen von früher. 60 Stars stecken zusammengerollt in seinem Koffer.
Am Freitagabend im Tipi-Zelt sollten sie nach und nach zu knalligem Playback über die Bühne wirbeln – zum Vergnügen des Publikums. Seit fünf Jahren kommt Ennio Marchetto nach Berlin, seit fünf Jahren ist die Bude immer voll.
Eingeschwebt sind seine Pappkameraden und er am Donnerstag. Aus seiner Geburtsstadt Venedig, die Ennio „meine Stadt“ nennt. Dass er sie mit so vielen Touris teilen muss, stört ihn nicht. Acht Monate im Jahr ist er sowieso unterwegs. Jetzt in Berlin, danach in Dubai und dann in Neuseeland. Für den Karneval in Venedig hat Ennio früher Masken und Kostüme entworfen. Eines Tages habe er von einer Marilyn Monroe im Papierkleid geträumt, und so wurde die Idee zu seiner Show geboren. Wann das war? „Als ich 22 war und jetzt bin ich 21“, lacht er. Das stimmt natürlich nur fast: Ennio macht seit 20 Jahren in Papier und ist darüber 47 geworden. 70 Länder hat er bereist, mehr als 200 Charaktere im Repertoire und Prinzen und Königinnen glücklich gemacht. Fans und Kritiker nennen ihn „genialen Clown“ oder „weltberühmten Wundermann“, er selbst nennt sich „lebender Cartoon“. Oder lebendes Pop-up? „Lieber lebende Pop-Art.“
200 mal kann er mit einem Papierkostüm auftreten. Sie zu basteln dauert ein paar Tage oder – bei kniffligen Falttechniken – auch länger. Und obwohl die Papierhaare, Bärte, Ohren, Kleider, Hälse oder Hände so stabil sind, sei nach jeder Show was zu reparieren. „Und nach jeder Reise“, sagt Ennio und malt mit einem dicken Filzer an der Mona Lisa herum. Ein netter Typ, der seinen Pfefferminztee trinkt und Schokolade vom Flughafen mitbringt. Seine theatralische Bühnenmimik – mit Kajalaugen und roten Lippen immer im Zentrum der überkandidelten Show – bleibt tagsüber eingepackt. Warum er immer noch solo arbeitet? „Ich will der Einzige auf der Bühne sein.“
Das Publikum in „Old Europe“ verstehe seine Ironie am besten, sagt er. Und die Berliner seien besonders verrückt. Zwölf frisch gebastelte deutsche Stars hat Ennio mitgebracht, alte wie Heintje und neue wie Tokio Hotel. Wie er die Promis auswählt? „Sie müssen karikierbar und mit dem passenden Song sofort zu erkennen sein.“ Dafür schaue er sie sich stundenlang auf Video an und entwickele so den Charakter. Was denn der Song der Mona Lisa sei? „Der Song meines Lebens“, sagt Ennio Marchetto, „Venus von Shocking Blue“.
Bis 22. April im Tipi. Infos und Karten unter der Telefonnummer (0180) 327 93 58 oder www.tipi-das-zelt.de
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