Berlin: Migrantinnen werden häufig Opfer häuslicher Gewalt
In den allermeisten Fällen sind es Frauen, die bei Gewalttaten in der Beziehung zum Opfer werden. Und fast immer sind es die Partner oder Ex-Partner, die zuschlagen und manchmal sogar töten.
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In den allermeisten Fällen sind es Frauen, die bei Gewalttaten in der Beziehung zum Opfer werden. Und fast immer sind es die Partner oder Ex-Partner, die zuschlagen und manchmal sogar töten. 12 522 Fälle häuslicher Gewalt zählt die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2006 in Berlin. Das sind sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Was die Statistik nicht zeigt: 30 Prozent der weiblichen Opfer im vergangenen Jahr waren Migrantinnen. Das ergab jetzt eine ausführliche Studie der Landeskommission Berlin gegen Gewalt.
Erstmals ist in dieser Dokumentation beschrieben, inwiefern Migrantinnen Opfer häuslicher Gewalt werden. Dabei beruft sich die Landeskommission auch auf die Ergebnisse einer deutschlandweiten repräsentativen Untersuchung zur Gewalt gegen Frauen. „Migrantinnen sind vergleichsweise häufiger und oft auch gravierender als deutsche Frauen körperlicher Gewalt in den eigenen vier Wänden ausgesetzt“, resümierte der Vorsitzende der Landeskommission Berlin gegen Gewalt, Staatssekretär Thomas Härtel.
Einen 30-Prozent-Anteil nichtdeutscher Opfer kann die Polizei nicht bestätigen – wegen unterschiedlicher Datenerfassung. „In unserer Kriminalitätsstatistik sind nur die Tatverdächtigen nach Nationalitäten erfasst, nicht die Opfer“, sagte Martina Linke vom Landeskriminalamt. Demnach hatten knapp 35 Prozent der Tatverdächtigen keine deutsche Staatsangehörigkeit. Unter ihnen bilden die größte Gruppe die Türken mit 30 Prozent, gefolgt von Polen, Jugoslawen und Libanesen.
Doch auch bei der BIG-Hotline (Telefon 611 0300) – einem Projekt, das sich seit Jahren um Opfer häuslicher Gewalt kümmert – rufen immer mehr nichtdeutsche Frauen an. „Von den rund 7 300 Anruferinnen waren mindestens 26 Prozent Migrantinnen“, sagt Sprecherin Irma Leisle. Die Zahl könne sogar höher liegen, da nicht bei jedem Telefonat nach der Nationalität gefragt werde.
Gewalt in der Beziehung wird bei der Polizei schon lange Zeit sehr ernst genommen. Das Problembewusstsein beim Thema häuslicher Gewalt hat sich im Gegensatz zu früher geschärft. Und so wird jeder einzelne Einsatz, bei dem ein Partner geschlagen oder bedroht worden ist, mit einem speziellen Vermerk in den Akten versehen. Doch für die Behörde sind die insgesamt steigenden Zahlen noch kein „alarmierendes Signal“. Sie seien vielmehr Ausdruck dafür, dass inzwischen viel mehr dieser Taten zur Anzeige gebracht werden. Eine „weitere Erhellung des Dunkelfeldes“ nennt die Polizei das.
Die beiden schlimmsten Fälle in der Polizeistatistik des vergangenen Jahres sind zwei Frauen, die beim Streit mit dem Partner ums Leben kamen. Besonderes Aufsehen erregte der Fenstersturz einer Tänzerin aus der Show „Afrika, Afrika!“ von André Heller im August 2006. Die Afrikanerin war nach einem Streit mit ihrem Mann aus dem achten Stock eines Hochhauses in Lichtenberg gestürzt. Zuvor hatte der Mann sie mit einem Messer angegriffen. In Panik vor ihm war die Tänzerin auf das Fensterbrett geklettert, verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Der 33-jährige Senegalese wurde kürzlich zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.In einem anderen Fall im Sommer 2006 ist eine 46-jährige Türkin durch mehrere Messerstiche bei einem Streit mit ihrem 48-jährigen Lebensgefährten ums Leben gekommen.
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