
© Thilo Rückeis
Kunsthaus: Mini-Tacheles in Treptow
Aus der berühmten Kaufhausruine in Mitte haben sich einige Künstler herauskaufen lassen. Von dem Geld bauten sie einen Supermarkt um: So entstand das Treptopolis.
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Räumungsversuche von Zwangsverwalter und Securitytrupps, Proteste vor dem Roten Rathaus. Von all dem Ärger, den es in diesen Tagen um das Kunsthaus Tacheles gibt, bekommt Kemal Cantürk nicht mehr viel mit. Der 61-jährige Metallkünstler zählte 1990 zu den ersten Besetzern des einstigen Kaufhauses in der Oranienburger Straße in Mitte. Voriges Jahr verließ er die Ruine und eröffnete nun in einem leer stehenden Supermarkt in Treptow ein Kulturhaus – das „Treptopolis“.
Wo sich einst Lebensmittelregale befanden, stehen nun eine gezimmerte Bar und verrostete Werkzeuge. In der Ecke wurde eine Theaterbühne für die hauseigene Schauspieltruppe platziert. Und für die gemeinsamen Fernsehabende stehen schon die alten Sessel aus dem Tacheles-Kino und eine Leinwand bereit.

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Mehr als 60 000 Euro will Cantürk bisher in sein Treptopolis gesteckt haben. 100 000 Euro hatte er erhalten, damit er im April das Tacheles verließ. Der Anwalt Michael Schultz hatte ihn und andere im Namen eines unbekannten Investors herausgekauft. Im Mai mietete Cantürk dann das neue Gebäude. Das stand jahrelang leer, galt als Schandfleck im Kiez. Zuvor war ein „Kaiser’s“-Supermarkt drin und ganz früher ein HO-Laden. Als Cantürk kam, gab es nicht mal Wasser und auch keinen Strom. Nun gibt’s sogar eine Küche – mit Pizzaofen.
Im Sommer soll ein Café im Hof aufgebaut werden, und aufs Dach könnte eine kleine Bühne. Was darauf soll? Na, Feuerspucker würden doch toll aussehen, sagt Cantürk. Das Treptopolis soll schließlich Werkstatt sein, Galerie, Kino, Bar. Ort für Konzerte, Lesungen und Ausstellungen von Künstlern, die sonst nirgends ausstellen können. Treffpunkt, wo Jugendliche kickern und ihr Fahrrad reparieren können. „Das Tacheles war doch anfangs auch nur eine Ruine“, erinnert sich Cantürk. „Ein Ort, an dem sich Künstler gegenseitig inspirieren.“ Er selbst habe im Tacheles nur noch Skulpturen für Touristen produziert. „Die haben alles gekauft.“ Nun wolle er wieder Kunst machen. Zur alten Wirkungsstätte habe er keinen Kontakt mehr – dort nimmt man ihm den Abgang übel.
Erst wurde geräumt, dann erklärte ein Gericht die Aktion für rechtswidrig

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Die Zukunft des 25 000 Quadratmeter großen Areals an der Oranienburger Straße – von dem das Tacheles 1200 Quadratmetern ausmacht – bleibt unklar. Am Donnerstag hatte der Zwangsverwalter das Haus abgeriegelt und Räumungsklagen angedroht, am Freitag durfte nach einer einstweiligen Verfügung wieder geöffnet werden. Der fünfte Stock ist bereits seit langer Zeit geräumt, an der Rückwand des Hauses wurde eine Mauer hochgezogen, um den Durchgang zur Werkstatt auf der Wiese zu verhindern.
Seit Jahren will es die HSH Nordbank, Gläubigerin der Fundus-Gruppe, der das Gelände bis 1998 gehörte, loswerden, doch Versteigerungstermine platzten. Nun soll laut HSH-Sprecherin Irina Dähne ein neuer Termin anberaumt werden. Der neue Eigentümer scheint intern allerdings bereits bekannt zu sein. Er werde das Tacheles wieder der Kunstszene zuführen, sagte Zwangsverwalter Holger Schwemer, und er habe in der Kunstszene schon „einiges bewirkt“. Namen wollte er ebenso wenig nennen wie die HSH und die Kulturverwaltung. Dort heißt es nur, man wolle das Tacheles „als Ort der Produktion und Präsentation von zeitgenössischer Kunst erhalten und dem Gebäude einen Neustart ermöglichen“, sagt Torsten Wöhlert, Sprecher von Kulturstaatssekretär André Schmitz. Eine kulturelle Nutzung des Gebäudes sei im Grundbuch verankert. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) – amtierender Kultursenator – sei nicht für das Tacheles verantwortlich, sagt sein Sprecher Richard Meng. Das Gelände sei in privatem Besitz.
In Kreisen von Politik und Immobilienwirtschaft fällt allerdings ein Name immer wieder: Harm Müller-Spreer, Investor des Spreedreiecks. Angeblich gibt es bereits Verhandlungen über die Nutzung mit der Kulturverwaltung, was diese bestreitet. Auch Müller-Spreer dementiert, sagt nur, dass das Grundstück interessant sei. Ein anderer Investor – Christian Krawinkel – bekundet sein Interesse offensiv, er plant auch das neue Einkaufszentrum an der O2-Arena. Als Interessenten werden Harald G. Huth, der das neue Einkaufszentrum am Leipziger Platz baut, und die Freiberger Holding gehandelt.
Im Tacheles hoffen sie nun auf einen Runden Tisch. Der Vorschlag kam von Monika Grütters (CDU), Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag. Das Tacheles stehe beispielhaft für die gesamte Straße, sagt Grütters, „die Kulturmeile Oranienburger Straße wird glattsaniert“. Der Senat müsse Investoren Vorgaben machen. Tacheles-Sprecherin Cerna wünscht den Übergang des Gebäudes in eine öffentliche Stiftung. Dann müsste das Haus aus dem Gelände herausgelöst werden, was weder bei Investoren noch bei Gläubigern gewünscht sei, sagte der Sprecher der Kulturverwaltung. Auch das Land würde das Haus nicht kaufen.
Wenn das Aus der Kunstruine im jetzigen Zustand wirklich klar ist, könnten einige der Künstler auch vorübergehend im Treptopolis ausstellen, sagt Cantürk. Und nebenan werde ja bald die „Schlecker“-Filiale frei. Cantürk hat sich schon mal nach dem Ansprechpartner erkundigt.
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