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Mit der IHK auf „Zukunftsreise“ : Berliner Schüler werden künftig besser aufs Berufsleben vorbereitet
Mangelnde berufliche Orientierung ist einer der Hauptgründe, warum aktuell rund 1000 Ausbildungsplätze nicht besetzt sind. Ein neues Pilotprogramm soll das ändern.
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Noch muss man sie mit der Lupe suchen: Berliner Jugendliche im sozialen Brennpunkt, die nach der Schule eine duale Ausbildung beginnen oder zumindest wissen, welchen beruflichen Weg sie einschlagen wollen. Um diesem Missstand abzuhelfen, nimmt die Industrie- und Handelskammer (IHK) in den kommenden vier Jahren fast fünf Millionen Euro in die Hand. Mit dem Geld sollen Manager und Managerinnen für die Berufsorientierung finanziert werden. Am Montag wurde das Projekt „Boom“ vorgestellt.
Ort des Geschehens: Die Willy-Brandt-Teamschule in Gesundbrunnen, die sich unter der Leitung ihrer preisgekrönten Direktorin Andrea Franke immer mehr zum Berliner Leuchtturm entwickelt. Franke erklärte im Beisein von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) und IHK-Chefin Manja Schreiner, wie ihre Schule es anstellt, ihre Schülerinnen und Schüler von Klasse 7 bis Klasse 10 auf eine vierjährige „Zukunftsreise“ mitzunehmen.
Wir wollen viele berufliche Erlebnisse schaffen, damit die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, die richtige Entscheidung zu fällen.
Andrea Franke, Leiterin der Willy-Brandt-Schule
„Wir wollen viele berufliche Erlebnisse schaffen, damit die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, die richtige Entscheidung zu fällen“, lautet das Grundrezept, dem Franke und ihr Team folgen. Damit das gelingt, muss die „Zukunftsreise“ aus vielen Stationen bestehen. Dazu gehören als „Module“ Betriebsbesichtigungen, Praktika, individualisierte Berufsberatung, Potenzialanalyse, Besuche von Oberstufenzentren und eine schuleigene Berufsmesse.

© IHK Berlin
Das Besondere dabei: Dieses Programm wird nicht einfach festgeklopft und durchgezogen, sondern ständig evaluiert und auf Wirksamkeit überprüft, wie Franke betont. So soll es auch in Zukunft sein, wenn das Projekt an weiteren Schulen ausgerollt wird. Wichtig dabei: „Boom“ steht für „Berufsorientierung organisiert und modular“ – eben weil es aus vielen verschiedenen Modulen besteht, die von den neuen Managern optimal auf die Schulen zugeschnitten werden soll.
Die Kooperation zwischen der Willy-Brandt-Schule und der IHK ist nicht neu. Vielmehr gab es bereits ein Boom-Vorläuferprojekt, das die IHK zusammen mit der Bildungsinitiative Teach First konzipiert hatte: Teach First schickt seit vielen Jahren junge Akademiker jeweils für zwei Jahre als sogenannte Fellows in Schulen, um die Quote der Schüler ohne Schulabschluss zu senken und sind damit extrem erfolgreich. Daher sind es auch ehemalige Fellows, die jetzt zu den neuen Managern und Managerinnen für die Berufsorientierung gehören.
Die Berufsorientierungs-Managerinnen und -Manager bringen wertvolle Netzwerke, Know-how und echte Einblicke in unternehmerisches Denken in die Schulen.
Katharina Günther-Wünsch (CDU), Bildungssenatorin
„Die Berufsorientierungs-Managerinnen und -Manager bringen wertvolle Netzwerke, Know-how und echte Einblicke in unternehmerisches Denken in die Schulen“, erwartet Bildungssenatorin Günther-Wünsch. Sie war am Montag in die Willy-Brandt-Schule gekommen, um mit IHK-Hauptgeschäftsführerin Schreiner den Kooperationsvertrag zu unterschreiben. Die IHK habe sich für dieses Projekt entschieden, weil mangelnde berufliche Orientierung „eines der Haupthindernisse in der Besetzung der vielen freien Ausbildungsplätze“ sei, begründet Schreiner das Engagement. Rund 1000 Plätze sind aktuell nicht besetzt.
Die Fellows von Teach First müssen gehen
Allerdings brechen gleichzeitig in den Schulen die meisten Fellows von Teach First weg, weil die bisherige Finanzierung infolge der Haushaltsnot nicht mehr möglich ist. Zwar hat Günther-Wünsch eine andere Form der Finanzierung für sie als sogenannte Pädagogische Assistenten gefunden. Dieser Weg hängt allerdings vom Budget der jeweiligen Schule ab und ist nicht mehr überall gangbar, so dass Teach First 26 bereits ausgewählten neuen Fellows absagen musste.
Teach First hofft nun auf einen Neustart in anderer Form im Jahr 2026: „Wir wollen gemeinsam mit der Senatsverwaltung ein neues Modell entwickeln – mit klar definiertem Einsatzprofil, verlässlichen Rahmenbedingungen und dem Ziel, die Wirkung unserer Fellows an den Schulen weiter zu stärken“, formulierte Geschäftsführerin Liz Heid am Montag das Ziel.

© dpa/Sebastian Gollnow
Auch die Willy-Brandt-Schule ist seit langem Einsatzort von Teach First ist, weshalb sie letztlich auch die Boom-Pilotschule der IHK wurde. Außerdem sind hier die „Joblinge“ aktiv – eine bundesweit agierende Initiative, die sich ebenfalls erfolgreich um das Übergangsmanagement von Schule in Beruf kümmert.
All diese Aktivitäten sowie das besondere Augenmerk von Frankes Team haben dazu geführt, dass die Zahl der in Ausbildung vermittelten Zehntklässlerinnen und Zehntklässler von 15 im Jahr 2023 auf aktuell 40 gestiegen ist. Weitere der über 100 Absolventen wechseln in die gymnasiale Oberstufe, immer weniger gehen an die Sozialtransfersysteme verloren – aktuell nur noch weniger als eine Handvoll, wie Franke zu berichten weiß.
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