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Berlin: Mit K.-o.-Tropfen außer Gefecht

Banden suchen sich Schwule als Opfer – sie gehen selten zur Polizei

Der Flirt im Tanzlokal begann viel versprechend. Der nette junge Mann hatte nicht nur schöne Augen, er machte auch schöne Augen. Ferdinand S. (Name geändert) sprach den Unbekannten in der Schwulenkneipe an, man prostete sich zu, trank ein Bier zusammen, dann noch eins. Mehr weiß Ferdinand S. von diesem Abend nicht mehr, außer dass am nächsten Morgen Geld, Telefon, Kreditkarte und Schlüssel weg waren. Eingehandelt hatte er sich dafür einen schweren Kopf – Nachwirkungen des eingesetzten Betäubungsmittels, das der nette junge Mann in einem unbeobachteten Moment ins Bier geschüttet haben muss.

Der Homosexuelle wurde mit so genannten K.-o.-Tropfen außer Gefecht gesetzt und anschließend beraubt. Nach Angaben der Polizei wurde der Mann Opfer von Serientätern. Nach zwei Jahren Ruhe begann die Serie im Herbst vergangenen Jahres und hält bis heute an. 2002 wurden elf Taten bekannt, in diesem Jahr schon sieben. Das ist nur die Spitze, die Kripo geht von einer Dunkelziffer von 90 Prozent und mehr aus. Denn schwule Männer gehen aus Scham nicht zur Polizei – und das wissen die Täter und nutzen es aus. Das „Schwule Überfalltelefon“ (SÜB), eine seit 13 Jahren existierende Selbsthilfegruppe, startete deshalb gestern gemeinsam mit der Polizei eine Informationskampagne. „Der Anruf beim Schwulen Überfalltelefon ist der erste Schritt“, sagte Uwe Löher vom Landeskriminalamt. „Die Opfer finden es peinlich, sagen zu müssen, dass sie sexuelles Interesse an einem Mann hatten und dabei reingefallen sind“, sagte Löher. Der Kriminalhauptkommissar, auch „Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ erinnerte an die Raubserie in den Jahren 2001 und 2002: Etwa zwölf Jugoslawen hatten sich im Kiez Motzstraße/Fuggerstraße an Homosexuelle herangemacht und diese zuhause beraubt, teilweise auch gefesselt und geschlagen. So wurden Geheimzahlen von Kreditkarten erpresst. Die Gruppe wurde gefasst, aber es ist bis heute kein einziges Opfer ermittelt.

Doch nun sind K.-o.-Tropfen offenbar wieder modern geworden. Die Kripo vermutet mehrere Täter hinter der auffallenden Häufung. In allen Fällen sei es in Szenelokalen in Schöneberg zur „Anmache“ durch die Unbekannten gekommen. Gefasst wurde noch keiner. Denn es ist nicht nur Scham, die viele Opfer davon abhält, Anzeige zu erstatten. Viele bekommen gar nicht mit, was mit ihnen geschieht. Am nächsten Tag schieben sie den Filmriss auf intensiven Alkoholkonsum, und dass dabei das Portemonnaie verschwand, wird als gerechte „Strafe“ für das Besäufnis hingenommen.

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