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Berlin: Mit Kokolores ab durch die Mitte

Berliner und Kölner Narren wollen die Hauptstadt der Preußen erobern. Am Sonntag startet ihr Karnevalsumzug

Über den Köpfen der uniformierten Honoratioren, die gestern das Programm des großen Karnevalsumzugs am kommenden Sonntag verkündeten, hing ein rotes Transparent mit der Losung „Vom Wessi lernen heißt Siegen lernen“. Das war natürlich reiner Zufall, in der rheinischen Exilkneipe „Ständige Vertretung“ hat man ganze Wände voll spaßpolitischer Anspielungen. Aber hier passte das irgendwie: Von den Kölnern haben sich die Berliner Karnevalisten anstecken lassen, auf die Straße zu gehen und mit ihren Wagen Großes zu wagen – und da das mit dem Umzug quer durch die City schon dreimal ganz gut geklappt hat, kommt jetzt ein bisschen Berliner Größenwahn dazu. Die Karnevalsumzügler rechnen kühn mit 700000 Zuschauern, weil es im vorigen Jahr 500000 waren und immer mehr Leute aus halb Preußen neugierig an die Bonbonmeile kommen und Lust verspüren, ihre Regenschirme aufzuspannen, um kiloweise Süßigkeiten abzufassen.

Die nackten Tatsachen: Der diesjährige Karnevalszug steht unter dem Motto „Hier tanzt der Bär“. Er beginnt am kommenden Sonntag um 13 Uhr 11, nachdem sich auf der Straße des 17. Juni an die 3000 Teilnehmer in hundert Gruppen mit 25 Prinzenpaaren auf etwa 50 großen Festwagen und vielen kleineren geschmückten Fahrzeugen aufgestellt haben.

Die Berliner Jecken kommen aus 23 Karnevalsvereinen, die eine (angeblich) 500 Jahre weit zurückreichende Tradition von Faschings-Brauchtum und Pappnase pflegen. Hinzu gesellen sich viele Vereine aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt, aber auch aus Bremen, Belgien und aus dem Rheinland. In Berlin gibt es seit kurzem einen Club für die Fans von gleich vier typischen Kölner Popgruppen (Höhner, Bläck Föös, De Räuber und die Paveier). Die Hälfte der Mitglieder kommt aus der ehemals preußischen Rheinprovinz – beide fördern also die Kontakte zwischen den Ureinwohnern von der Spree und den „Ex-Anrheinern“, die sich am Sonntag zwischen Kokolores und Kamelle wie zu Hause fühlen. 50 Tonnen „Wurfmaterial“ regnet auf die Zuschauer, darunter nicht nur Bonbons, sondern auch Stofftiere, Bälle und Sträuße. Der Zugweg: Dorotheenstraße - Wilhelmstraße - Unter den Linden - Friedrichstraße - Taubenstraße - Charlottenstraße - Kronenstraße - Markgrafenstraße - Französische Straße - Charlottenstraße - Unter den Linden bis vors Rote Rathaus. Hier gibt es für zehn Euro Eintritt eine Party im Festzelt, das tausend Personen fasst. In diesem Ambiente wird schon am Donnerstag gefeiert – ab 16 Uhr sind die Damen bei der Weiberfastnacht für 15 Euro unter sich, Herren werden ab 21 Uhr reingelassen.

Berlins Karneval entwickelt sich so heftig, dass die Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) gestern in einem Statement verkündete: „Der Karnevalszug mit rund 500 000 Besuchern im vorigen Jahr zählt neben der Love Parade, Silvester in Berlin, dem Karneval der Kulturen und dem Christopher Street Day zu den populärsten Open-Air-Veranstaltungen der Stadt.“ Für alle Fälle haben die Organisatoren einen schönen langen „Motivschal“ parat, „Hier tanzt der Bär“, steht da drauf, die Kreation trägt die Stadtfarben weiß-rot und könnte auch jeden Fan des 1. FC Union zieren. Das Stück kostet 15 Euro, ein Teil vom Erlös geht an die Papageno-Schule (Ost) und die Fritzlar-Homberg-Schule (West).

Über all dem Trubel thront das Prinzenpaar: 300 Veranstaltungen hat es im feierwütigen Berlin im Kalender, ein Marathon für Manuela und Christian Mewes. „Die Berliner sollen ihre Alltagssorgen vergessen, feiern, Spaß haben und fröhlich sein“, sagen die Hoheiten. Also, dann los!

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