
© dpa/Taylan Gökalp
Mord an pflegebedürftiger Frau in Berlin: 72-jährige Rentner zu neun Jahren Haft verurteilt
Nach einem Schlaganfall ist seine Frau zum Teil gelähmt. Der 72-Jährige kümmert sich um sie. Ein Pflegedienst kommt zweimal die Woche, bietet weitere Hilfe an. Er lehnt ab. Bis ihm alles zu viel wird.
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Nach vielen guten Jahren kamen mit einem Schlaganfall seiner Frau schlechte Zeiten. Der 72-jährige Axel L. kümmerte sich zunächst zugewandt um die 59-Jährige. Dann tötete er den Menschen, der ihm besonders vertraute. Weil es ihm „zu viel war“, habe er beschlossen, sich seiner Frau zu „entledigen“, hieß es am Freitag im Urteil des Berliner Landgerichts. Neun Jahre Haft wegen Mordes ergingen.
Der schmächtige Rentner saß in einem Rollstuhl und blieb äußerlich regungslos. Weil er wegen psychischer Beeinträchtigungen für nur vermindert schuldfähig befunden wurde, erging keine – wie bei Mord grundsätzlich gesetzlich vorgesehen – lebenslange Freiheitsstrafe.
Am 29. Dezember 2023 lockte Axel L. seine Frau, die seit November 2022 halbseitig gelähmt und hilfsbedürftig war, in das einstige Kinderzimmer der gemeinsamen Wohnung in Hellersdorf. Es war gegen 9.45 Uhr, als er Birgit L. aufforderte, mit ihm am angekippten Fenster frische Luft zu schnappen. Doch auf dem Bett lagen bereits ein Hammer, ein Kabel und ein Messer bereit. Drei Tatwerkzeuge, die er nacheinander einsetzte.
In der Anklage wurde eine Überforderung als Auslöser der Tat genannt. Groß erwähnte das Wort in der Urteilsbegründung allerdings nicht. Axel L. habe entschieden: „Es ist mir zu schwer, ich will das nicht mehr.“ Doch er habe sich nicht in einer ausweglosen Situation befunden. Es habe konkrete Angebote von einem Pflegedienst gegeben, der zweimal die Woche kam und mehr Unterstützung leisten wollte. L. aber habe das Angebot ausgeschlagen.
Der Mann rief die Polizei: „Ich möchte einen Mord gestehen“
Axel L. habe beschlossen, sich seiner Frau zu „entledigen“, so der Richter. Gnadenlos sei der Angeklagte vorgegangen. „Die arglose Frau, die ihm vertraute, hatte keine Chance auszuweichen.“ Es sei eine schreckliche, eine „schändliche“ Tat. Der 72-Jährige schlug seiner Frau den Schädel ein, dann drosselte er sie mit einem Kabel, schließlich stach er 18-mal auf die Frau ein.
Zwei Tage ließ L. verstreichen, holte sich Schnaps aus dem Supermarkt – nach 23 Jahren habe er erstmals wieder Alkohol getrunken, sagte er später. Über den Notruf alarmierte er die Polizei und sagte: „Ich möchte einen Mord gestehen.“ Er habe seine Frau getötet – „sie liegt im Kinderzimmer“. Als kurz darauf Einsatzkräfte in die Wohnung in die Neue Grottkauer Straße kamen, habe er „ruhig und freundlich“ geöffnet, sagte eine Polizeibeamtin im Prozess. Eine Reisetasche stand im Wohnzimmer – Pantoffeln, Schlafanzug, Kosmetiktasche hatte der Mann eingepackt.
Die Frau sei kein schwerer Pflegefall gewesen, sagte der Richter. Und sie habe durchaus noch Lebensfreude gehabt. Mit dem Urteil wolle das Gericht ein klares Signal setzen. Aufgabe von Ehepartnern sei es, sich „auch in der schlechten Zeit zu unterstützen“.
Mit dem Urteil folgte das Gericht im Wesentlichen der Staatsanwaltschaft, die wegen Mordes zehn Jahre Haft verlangt hatte. Die Verteidigerin plädierte auf einen Schuldspruch wegen Totschlags und sechs Jahre Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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