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Berlin: Muslime wollen Moschee mit eigenem Wachdienst schützen

Ahmadiyya-Gemeinde befürchtet nach Brandanschlag weitere Störungen. Gemeindemitglieder sollen Neubau in Heinersdorf kontrollieren

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Die Führung der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde denkt darüber nach, den umstrittenen Neubau einer Moschee in Pankow-Heinersdorf durch einen aus Gemeindemitgliedern bestehenden Wachdienst zu schützen. Das sagte der Imam der in Berlin rund 200 Mitglieder starken Gemeinde, Abdul Tariq, am Dienstag. Vergangene Woche war ein Brandanschlag auf die Baustelle an der Tiniusstraße verübt worden. Ein Lastwagen brannte, konnte aber nach kurzer Zeit gelöscht werden. Die Polizei vermutet einen politischen Hintergrund, der Staatsschutz ermittelt. Gegen den Neubau gibt es seit einem Jahr massive Widerstände von Anwohnern, aber auch von organisierten Rechtsextremisten.

„Wenn die Situation sich nicht beruhigt, müssen wir das Gelände selber sichern, denn wir können nicht erwarten, dass die Polizei dort rund um die Uhr aufpasst“, sagt Imam Tariq. Noch hoffe er, dass es dazu nicht kommt. Dennoch erwäge die Gemeinde, dass regelmäßig Mitglieder auf dem Gelände sind und auch dort übernachten. Dafür gebe es auf dem ehemaligen Fabrikgelände ein kleines Gebäude, das als Aufenthaltsraum genutzt werden könne. „Wir wollen keine Auseinandersetzungen provozieren, sondern zeigen: Wir sind hier“, sagt der Imam.

Derzeit sind Tariq und seine Leute in ständigem Kontakt mit der Polizei. „Wenn die Gemeinde einen zusätzlichen Wachdienst initiieren will, ist das ihre Entscheidung“ sagte ein Polizeisprecher. Die Polizei habe ebenfalls Konsequenzen aus dem Anschlag gezogen und ihren Schutz der neuen Lage angepasst. „Wir sind präsent.“ Demnächst soll es ein weiteres Gespräch mit der Gemeinde darüber geben, wie man vorgehen will.

Die Bauarbeiten für die geplante zweistöckige Moschee mit Minarett sollen im Frühsommer beginnen. Am Montag wurden die letzten Reste einer Fabrik beseitigt, die früher auf dem Gelände stand. Dafür wurde auch ein Schornstein gesprengt. Mitte kommenden Jahres, so hofft Imam Tariq, soll der Bau fertig sein. Die Moschee wäre das erste als solches erkennbare islamische Gotteshaus im Ostteil der Stadt. Der Grundstein war zu Jahresbeginn gelegt worden. Bislang nutzt die Gemeinde ein umgebautes Einfamilienhaus in Reinickendorf.

Die Ahmadiyya-Mitglieder sind Anfeindungen gewohnt. Die Gruppierung ist zwar betont gewaltfrei und distanziert sich vehement von radikalen muslimischen Strömungen. Da sie aber eine in der islamischen Welt wenig verbreitete Koranauslegung vertritt und konservative Werte pflegt, wird sie von Kritikern als Sekte bezeichnet. Deswegen gab es auch an anderen Orten Widerstand gegen Moscheebauten, wie Hadayatullah Hübsch von der deutschen Gemeindezentrale in Frankfurt am Main berichtet. So hätten Ahmadiyya-Gegner in Hannover über Nacht auf einer Baustelle Holzkreuze errichtet, auf denen zu lesen war: „Diese Erde ist Deutsch.“ Auch in Berlin ist aus Sicht von Hübsch – der wie viele Gemeindemitglieder Deutscher ist – zu befürchten, dass es weitere „Kurzschlussreaktionen“ von Muslimfeinden gibt, die sich durch den wachsenden Rechtsextremismus und die von Hübsch beklagte „Hetze gegen Muslime“ in vielen Massenmedien angestachelt fühlen könnten. Hübsch und seine Glaubensbrüder und -schwestern sehen das mit Trauer, aber denken nicht an Rückzug: „Wir lassen uns nicht einschüchtern.“

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